Seit die Männerproficlubs den Frauenfußball für sich entdeckt haben, darf sich die SGS Essen als Überbleibsel einer vergangenen Ära fühlen.
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Seit die Männerproficlubs den Frauenfußball für sich entdeckt haben, darf sich die SGS Essen als Überbleibsel einer vergangenen Ära fühlen.
Frauen-Bundesliga

SGS Essen: Der letzte Club seiner Art träumt vom Pokalfinale

Seit 20 Jahren sind die Fußballerinnen der SGS Essen erstklassig. Die Arbeit der Talentschmiede findet bundesweit höchste Anerkennung. Jetzt hofft der Außenseiter auf einen Pokal-Coup.

Seit die Männerproficlubs den Frauenfußball endgültig entdeckt haben, darf sich die SGS Essen als Überbleibsel aus vergangenen Zeiten fühlen. Allerdings als überaus innovatives und erfolgreiches.

Das Team von Trainer Markus Högner spielt als letzter reiner Frauenverein in der Bundesliga - und fordert nun im DFB-Pokal-Halbfinale Rekordsieger VfL Wolfsburg in dessen Stadion. «Es wird eine riesige Herausforderung, aber wir rechnen uns trotzdem Chancen aus. Wir müssen total mutig agieren», sagt der in der Branche hochgeachtete Högner.

Der ungewöhnliche Weg des Clubs aus dem Essener Vorort Schönebeck ist dem Pay-TV-Sender Sky sogar eine mehrteilige Dokumentation wert. Titel: «Allein gegen alle - die SGS Essen, Talentschmiede des Frauenfußballs.» Der Höhepunkt könnte am 9. Mai in Köln beim Pokal-Finale gedreht werden - wenn der SGS an diesem Samstag (13.00 Uhr/Sky) in Wolfsburg eine Überraschung gelingt.

Mitstreiter Turbine Potsdam verabschiedet sich

Essen ist natürlich Außenseiter. Die VfL-Frauen haben zuletzt neunmal in Serie den Cup gewonnen, müssen aber noch das herbe 0:4 gegen den FC Bayern vom vergangenen Wochenende wegstecken. Im zweiten Halbfinale treffen am Sonntag (15.45 Uhr/Sky und ARD) Bundesliga-Spitzenreiter München und Eintracht Frankfurt aufeinander.

Essen war schon 2014 und 2020 Pokalfinalist. Zuletzt scheiterte das Högner-Team in Köln erst im Elfmeterschießen gegen Wolfsburg. Einen Namen hat sich die SGS Essen vor allem dadurch gemacht, dass sie aktuelle Nationalspielerinnen wie Lena Oberdorf, Marina Hegering, Lea Schüller, Nicole Anyomi und Linda Dallmann hervorgebracht hat.

In der Liga steht Essen als Tabellensechster wieder einmal besser als erwartet da. Im vergangenen Jahr verschwand Turbine Potsdam nach vielen Titeln in der 2. Liga - zu übermächtig war die zunehmend finanzkräftige Konkurrenz für den Traditions- und ebenfalls reinen Frauenclub geworden. «Die Unterschiede werden immer größer», bestätigt Essens Geschäftsführer Florian Zeutschler bei Sky und bezeichnet die SGS als letzten Club, «der im Männerfußball keinen Namen hat».

Trainerteam als Bessermacher der Talente

Dennoch ist Essen seit 20 Jahren erstklassig - und ein Ausbildungsverein im allerbesten Sinne. «Wenn wir da akribisch arbeiten, glaube ich schon, dass wir weiter eine Rolle spielen können», sagt Högner. Der 55-Jährige ist seit 2010 in Essen, war allerdings zwischendurch mal Co-Trainer des Nationalteams und in Wolfsburg. «Durch unser aktuelles Alleinstellungsmerkmal in der Liga bekommen wir ungemein viel positive Aufmerksamkeit», erklärt Högner. «Es wird überall anerkannt, dass wir es mit unseren Mitteln schaffen, auf diesem Niveau mitzuhalten und uns sogar noch zu verbessern. Dieses große Interesse hilft uns dann natürlich auch bei der Weiterentwicklung des Clubs.»

Auch wenn die SGS immer wieder Toptalente wie im vergangenen Jahr die jetzige Wolfsburger Nationalstürmerin Vivien Endemann abgeben muss, schafft sie es, dies durch Talente aus der Nachwuchsabteilung mit Sportinternat wettzumachen. Högner und sein Assistent Robert Augustin gelten zudem in der Branche als ungewöhnliche Bessermacher.

Dass sich junge Spielerinnen so entwickeln können, das sei «bei keinem anderen Verein so möglich», sagt SGS-Kapitänin Jaqueline Meißner (30). Mit einem Altersschnitt von 23 Jahren ist ihr Team das jüngste in der Liga. Meißner ist wie Lena Ostermeier eine der Routiniers beim Pokalhalbfinalisten - und nicht nur im Stadion an der Hafenstraße erfolgreich: Die 27-jährige Ostermeier hat im vergangenen Sommer ihr Chemie-Studium an der TU Dortmund in Chemie abgeschlossen und trägt seitdem einen Doktortitel. «Es ist familiär und professionell zugleich», sagt sie über den Bundesligisten. «Außerdem bekommt man bei der SGS die Freiheiten, um sich ein Standbein neben dem Fußball aufzubauen.»

Von Ulrike John, dpa
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