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Immer erreichbar: Jeder zweite Angestellte liest noch nach Feierabend berufliche E-Mails. Jeder dritte sieht dies als Belastung an.

Sind Job-Mails nach Feierabend eine Belastung?

Die Technologie von heute macht es möglich, dass Beschäftigte immer und überall erreichbar sein können. Ob am Strand, auf Geburtstagsfeiern oder einfach abends vor dem Schlafengehen – überall piepst das Handy oder Tablet, um die Fragen des Chefs zu beantworten oder Projekte zu bearbeiten.

Die Mobilität hat zwar auch viele Vorteile, wie das Zuhause Bleiben, wenn das Kind mal krank ist, aber viele Arbeitnehmer empfinden diese ständige Erreichbarkeit als "eher" oder "sehr belastend". Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov. Fast jeder zweite Erwerbstätige in Deutschland checkt nach Feierabend seine beruflichen E-Mails. Etwa jeder Dritte hat in seinem letzten Urlaub mindestens einmal in die Dienstmails geschaut. Gleichzeitig stört es etwa 40 Prozent aller Deutschen, wenn ihre Begleitung im Urlaub berufliche E-Mails liest.

Die ständige Erreichbarkeit bleibt auch nicht ohne gesundheitliche Folgen. Ergebnisse einer Untersuchung der Initiative Gesundheit und Arbeit (IGA) aus dem Jahr 2013 zeigten, dass Arbeitnehmer im Dienstleistungsbereich stärker von gesundheitlichen Auswirkungen betroffen sind als im verarbeitenden Gewerbe. Auch würde die Erholzeit zwischen Schichten oder Arbeitszeiten verkürzt und unterbrochen werden. Der Abstand zwischen Arbeit und nächtlicher Ruhe falle nun auch kürzer aus, was langfristig zu Schlafstörungen führen könne.

Der zweite Teil der Studie, welcher am Montag veröffentlicht wurde, hat diese Ergebnisse bestätigt: Das ständige abrufbar sein, wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus. Etwa ein Fünftel der Befragten gab an, in ihrer Erholungszeit beeinträchtigt zu sein. Und rund ein Drittel fühlt sich im Familien- und Freizeitleben, sowohl unter der Woche als auch am Wochenende gestört. Dieses Stören der Erholzeiten kann in den schlimmsten Fällen stressbedingte Gesundheitsbeschwerden wie Bluthochdruck und psychische Beschwerden wie Ängstlichkeit, Schlafstörungen oder ernsthafte Krankheiten wie Depression zur Folge haben.

Um solchen gesundheitlichen Risiken vorzubeugen, haben einige Unternehmen Schutzmechanismen für ihre Mitarbeiter eingeführt. Der Vorstand der Deutschen Telekom hat die Vorgabe beschlossen, dass Führungskräfte ihren Mitarbeitern nach Dienstschluss, am Wochenende und im Urlaub keine Mail mehr senden dürfen.

Auch wollen manche Konzerne ein Recht auf Nichterreichbarkeit für ihre Angestellten schaffen. So hat beispielsweise VW vor einigen Jahren eine E-Mail-Sperre eingerichtet, die Tarifmitarbeiter außerhalb ihrer Arbeitszeiten von ihren Mails trennen. So können sie Mails weder empfangen noch senden. Daimler erlaubt seinen Mitarbeitern sogar, ihre Mails im Urlaub einfach zu löschen. Andere Großunternehmen überlassen es ihren Beschäftigten selbst, wie sie mit ihren Nachrichten umgehen. "Wir setzen auf Eigenverantwortung", sagt ein Sprecher der Firma Siemens.

Sogar der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) diskutiert derzeit einen Rechtspruch auf Nichterreichbarkeit. Erreichbarkeit sei laut DGB-Sprecher Oliver Suchy ein zweischneidiges Schwert, bei dem Regelungsbedarf längst überfällig sei. Einerseits werde flexibles Arbeiten möglich und gefördert, was vor allem für Eltern eine positive Arbeitsbedingung sei. Es gebe jedoch noch zu wenige Regelungen, was dazu führt, dass Angestellte in ihrer Freizeit unentgeltlich arbeiten und die Überstunden nicht abfeiern. Laut einer Statistik des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), leisteten Arbeitnehmer in Deutschland im vergangenen Jahr knapp eine Milliarde unbezahlte Überstunden.