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Man muss sich an den frischen Sound erstmal gewöhnen!

The Getaway von den Red Hot Chili Peppers

Mit Anfang 50 sind die Red Hot Chili Peppers eine der letzten überlebenden Rockbands des 20. Jahrhunderts.

In den vergangenen 33 Jahren ihrer Bandgeschichte haben sie einen außergewöhnlichen Fundus an unverkennbaren Hymnen generiert und so einige Erfolge gefeiert. Die Band wurde ursprünglich von Sänger Anthony Kieldis und Bassist Flea mit dem Ziel gegründet, bei der Frauenwelt besser anzukommen, doch seit ihrem größten Erfolg mit dem legendären Album „Blood Sugar Sex Magik“ im Jahr 1991 sind die Red Hot Chili Peppers so viel mehr. Fünf Jahre sind nun seit ihrer letzten Platte vergangen, doch dieses Jahr kehren sie zurück mit 13 souverän-entspannten Songs, dem gewohnt groovigen Bass, einem neuen Produzenten und einer anderen Art von Energie, als bisher gewohnt. „The Getaway“ heißt das nun elfte Studioalbum.
 
Man muss sich an den frischen Sound erstmal gewöhnen, es folgt keine Neuauflage der Hymnen „Californication“ oder „Snow“. Erstmals seit 25 Jahren vertrauen die Jungs den Ideen eines anderen Produzenten und wagen es, Songs umzusetzen, die mit ihrem langjährigen Freund Rick Rubin nicht möglich gewesen wären. Der neue Aufnahmeleiter Brian Burton alias „Danger Mouse“ ist bekannt für die Arbeit mit Größen wie U2 oder den Gorillaz, seine Expertise klingt in jedem Song von „The Getaway“ durch. Man hört: Hier war jemand am Werk mit ungewohnten Einfällen, die die Red Hot Chili Peppers so noch nie hatten. Sie warfen kurzerhand 30 bereits für ihr neues Werk geschriebene Songs über den Haufen und entwickelten noch im Studio die überraschend unkonventionellen Melodien, die nun auf dem Album zu hören sind.
 

Red Hot Chili Peppers - Dark Necessities [Official Music Video]
Red Hot Chili Peppers - Dark Necessities [Official Music Video]

Die wilden Zeiten scheinen erstmal in den Hintergrund gerückt zu sein. Anthony Kiedis, dessen Vergangenheit von „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“ im Übermaß geprägt wurde, ist seit 15 Jahren clean. Er nutzt seine Energie nun zum Surfen und Snowboarden, wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist, mit seiner lässigen Stimme riesige Konzerte auf der ganzen Welt zu geben oder an Halloween mit seinem Sohn für „Süßes oder Saures“ um die Häuser zu ziehen. Vom Vatersein handelt auch die Ballade „The Hunter“, der einzige Song des Albums, bei dem der eigentliche Gitarrist Josh Klinghoffer, der erst 2007 seinen Weg zur Band gefunden hat, den Bass in die Hand nimmt. Bassist Flea spielt stattdessen einfach Trompete. Für Chili-Peppers-Verhältnisse recht ruhig und sanft ist auch das versonnene „The Longest Wave“, das fast wie eine Fortsetzung zu einem ihrer größten Songs „Under The Bridge“ aus dem Jahr 1991 klingt.
 
Doch trotz aller Bewegung, Entwicklung und Veränderung sind sich die Red Hot Chili Peppers noch immer ihrer Stärken bewusst, man erkennt sie noch. Es geht mit „The Getaway“ nicht darum, vor sich selbst wegzurennen, sondern vielmehr um ein gemeinsames Aufbrechen und Wachsen der Band, die in allen harten Zeiten immer zusammengehalten hat. Der funkige Signatursound klingt in Songs wie ihrer aktuellen Single „Dark Necessities“ oder auch in „Goodbye Angels“ mit nuancierter Finesse immer noch durch. Flea spielt noch immer seinen starken Bass, ergänzt mit den sofort erkennbaren Gitarrenriffs. Wer auf die härteren Songs steht, sollte in „This Tisconderoga“ und die düster-energetische Nummer „Detroit“ reinhören.
 
Dem Album fehlt zwar der klassische Mitgröl-Hit, stattdessen präsentiert sich aber der heutige artistische Anspruch der Künstler. Mit „The Getaway“ beweisen die Jungs: Ihr kreatives Feuer brennt noch immer, die Chili Peppers sind noch immer hot!
 
Nina Wierczeiko,
Musikredaktion