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Der alte Meister kehrt auf die Bühne zurück - und das Publikum erlebt eine große Überraschung.

So war der Auftritt von Phil Collins in der Lanxess-Arena in Köln

Fünf mal hintereinander trat Phil Collins nach über zehn Jahren Bühnenabstinenz im Juni 2017 in der Kölner Lanxess-Arena auf, seine einzigen Deutschlandkonzerte der Reihe. Er wollte es nochmal wissen. Bei seiner "NOT DEAD YET"-Tour überraschte Phil seine Fans und stellte unter Beweis, dass die Welt ihn zu Unrecht dem Abstellgleis zugeordnet hatte. Ein Bericht über einen der größten Künstler der letzten 50 Jahre und seine Rückkehr auf die Bühne.

NOT DEAD YET - wörtlich übersetzt "noch nicht tot" heißt die aktuelle Tour von Phil Collins. Noch nicht, aber vielleicht bald. Das möchte man zumindest denken, wenn man gerade so liest was weltweit über ihn geschrieben wird. Die Schlagzeilen wie "Phil Collins zunehmend Schwächer", "Er sitzt nur noch auf einem Stuhl und singt" oder zuletzt "Sturz im Hotel - Phil Collins mit Blaulicht in die Klinik" ließen mich wirklich nichts gutes befürchten. Aber die Konzerte in Köln fanden statt. Viel hatte ich nicht erwartet, schließlich hatte er Anfang der 2000er bekanntgegeben, dass er aufgrund mehrerer Erkrankungen (unter anderem Athrose in den Fingern, was ihm das Schlagzeugspielen quasi unmöglich machte) und Problemen mit seiner Familie die Bühnenpräsenz einstellen wird, um mehr Zeit mit seinen Geliebten zu verbringen, verständlich. Dass er nun wieder zurückkehrt, warf Fragen auf. Braucht er Geld? Ist er wirklich geheilt?

Phil Collins will es nochmal wissen

Meine persönliche Antwort drauf habe ich relativ schnell gefunden: Er wills einfach nochmal wissen. Es ist in ihm drin und bis er seinen letzten Atem aushaucht wird das auch niemand aus ihm rausbekommen. Er ist ein Kind der Bühne. Die Musik, die Leidenschaft Menschen zu unterhalten und Spaß mit ihnen zu haben ist so tief in ihm verwurzelt wie sein Herzschlag, das spürt man definitiv. Und dieses Handwerk beherrscht er wie kaum ein Zweiter.
 

Nun habe ich ein Rückenleiden und mein Bein ist ziemlich am Arsch, aber nun sind wir alle mal da und werden eine gute Zeit haben.

Es ist 20:17 als Phil die Bühne betritt. "Hallo Köln, Hallo Deutschland. Ich erinnere mich sehr gut daran, dass ich versprochen hatte, das nie wieder zu tun, aber ich habe euch alle schrecklich vermisst." Standing Ovations. "Nun habe ich ein Rückenleiden und mein Bein ist ziemlich am Arsch, aber nun sind wir alle mal da und werden eine gute Zeit haben." Er nimmt wie zuvor berichtet auf seinem Sessel platz und beginnt zu singen. Da war sie, diese unvergessliche Stimme. Wäre Peter Gabriel damals nicht bei Genesis ausgestiegen und hätte Phil Collins nicht aus der Not heraus den Sänger gegeben, wer weiß ob uns dieses Talent jemals zu teil geworden wäre. Er singt wie eh und je. Äußerlich unversteckbar gealtert, aber wenn man die Augen schließt, ist es sofort wieder 1980. Die erste Hälfte des Konzerts startet mit bekannten, aber ruhigen Songs wie "Against all Odds", "Another Day in Paradise", "Wake Up Call" oder auch dem wunderschönen Duett "Seperate Lives", das Phil mit seiner Gesangspartnerin Bridgette Bryant meisterhaft bestreitet. Auch ein Genesis-Song wird eingestreut ("Follow You, Follow Me") weil "Das ist ja auch ein Teil von mir und ich verstehe mich immernoch fantastisch mit den anderen Jungs!" bemerkt Phil.

Eine Show mit optischer Größe

Kenner bemerken sofort: Die Crew, die sich um Phil Collins schart, ist nahezu die gleiche wie damals. Allen voran Daryl Stuermer an der Gitarre oder Leland Sklar (den viele aufgrund seines langen Bartes unter dem Spitznamen "Dumbledore" oder "Gandalf" kennen) am Bass, auch die Bläser und Backgroundsänger sind bekannte Gesichter. So bekommt die Show nahezu von Beginn an ihren alten Glanz auferlegt. Das bombastische Bühnenbild mit unzähligen Lichtern, Podesten, riesigen LED-Wänden und einer zentralen Projektion auf der abwechselnd Live-Bilder von der Bühne, alte Filmausschnitte von Konzerten und diverse künstlerische Elemente gezeigt werden, gibt der Show auch die optische Größe.

Phil's Sohn Nicholas Collins am Schlagzeug

Neu mit in der Crew ist ein 16-jähriger Schlagzeuger. Für sein Alter bemerkenswert routiniert, abgeklärt, fehlerfrei und unglaublich talentiert fügt er sich ins Bild der erfahrenen mit-60er-Truppe. Sein Name: Nicholas Collins, Papas Sohn steht bei seiner vielleicht letzten Tour mit ihm auf der Bühne und er macht einen fantastischen Job. Die berührendste Stelle in der offensichtlich positiv-intensiven Vater-Sohn-Beziehung: Nicholas wühlt sich in alte Songs seines Vaters, wie dieser erzählt. Quetscht ihn aus zu Geschichten und Texten, will lernen. Das Ergebnis für diesen Abend ist ein Song, den die Welt so noch nie gehört hat: Phil Collins singt eine ruhige und emotionale Ballade begleitet von seinem Sohn am Klavier, zum Abschluss eine Umarmung. "You know what i mean" - Familie, Talent, Liebe, Gänsehautfeeling.

Nach etwa 60 Minuten gibt es eine 20-Minuten-Pause. Energie tanken. Ist nötig - für beide Seiten. Auch das Publikum ist zu diesem Zeitpunkt schon "heiß". Mit der Zeit wurde klar: Phil ist angekratzt, aber noch lange nicht kaputt. Als Phil für seine ersten Worte zu Beginn des Konzerts auf die Bühne trat, saß er auf seinem Stuhl noch mit schwachem Licht beleuchtet, hinter ihm ein großer weißer Vorhang, der die komplette Größe der Bühne und das gesamte Equipment verhüllte. Wenn ich wollte, könnte ich das jetzt als eine Art gewollten Überraschungseffekt bezeichnen. Seht her! So habt ihr mich vermutet, aber so läuft das hier und heute Abend nicht! Ähnlich nahm die Show auch ihre Wendung.
 

Die Masse jubelt und es ist fast etwas surreal und bizarr, wie der "alte Mann" nach so einer Show am Stock gestützt von der Bühne humpelt.

Schon bei Beginn der zweiten Hälfte wird klar: Ab jetzt geht es vorwärts. Zum Start ein Drum Solo von Nicholas Collins und Louis Conte, das übergegangene Talent ist unbestreitbar. Es werden sämtliche Klassiker zum Besten gegeben, von Phil und von Genesis. "In the Air tonight", "Something happened on the Way to Heaven", "Invisible Touch", "Easy Lover", "Sussudio" - die Halle steht Kopf. Und spätestens zu diesem Zeitpunkt ist vollkommen egal, und fällt auch keinem mehr auf, dass Phil nur in der Mitte auf einem Barsessel sitzt, die Stimmung ist da und sie ist fantastisch. Ton und Licht holen das letzte aus der Anlage heraus - Feuerwerk, Konfetti. Die Masse jubelt und es ist fast etwas surreal und bizarr, wie der "alte Mann" nach so einer Show am Stock gestützt von der Bühne humpelt. Das Publikum will hörbar mehr und es gibt "Take me home" als Zugabe. Anschließend große Verneigungen und minutenlange Standing Ovations bis schließlich die Crew von der Bühne geht und das Saal-Licht die Arena ausleuchtet. Nach 2 1/2 Stunden ist Ende.

Phil Collins hat sich selbst übertroffen

Verstanden habe ich an diesem Abend eines: Leidenschaft hat die Chance sich über alle Gebrechen hinwegzusetzen. Phil Collins ist ein Vollblut-Entertainer. Dieser Mann hat viel hinter sich, das sieht man, aber das bremst ihn nicht - und davor habe ich Hochachtung. Sein Ziel war es, so sagte er vor der Tour selbst, auf die Bühne zurückzukehren, seine Fans glücklich und seine Familie stolz zu machen. In meinen Augen hat er sich damit selbst übertroffen. Er hat das geschafft, was viele ihm nicht zugetraut hatten. Die Sorge um seine Gesundheit, die derzeit in den Medien so überdimensional im Vordergrund steht, ist berechtigt, aber sollte in meinen Augen nicht größer gemacht werden als der Respekt vor seinem Talent.

Einziger Makel an diesem Abend: Für die Eintrittskarte habe ich knapp 190 Euro bezahlt. Das ist also definitv kein Ausflug, den man mal eben so jedes Wochenende machen kann. Ich habe mich trotzdem geärgert. Nicht über die 190 Euro, sondern über die Tatsache, dass ich nicht noch etwas mehr ausgegeben habe, um noch weiter vorne zu stehen. Phil Collins noch einmal live zu erleben war ein lange gehüteter Wunsch, ein Traum seit ich Musik liebe. Ich hatte das große Glück nochmal Teil dieser Show werden zu dürfen und bin dafür unglaublich dankbar. Ich glaube, dass Phil Collins seinen Fans genau das damit geben wollte - und es ist ihm fantastisch gelungen. Seine Musik ist eine Klasse für sich. Mit gnadenlos guten Rhythmen, perfekt arrangierten Bläsern, ergreifenden Texten und einer Stimme, die uns noch Jahrzehnte in den Ohren liegen wird. Viele seiner Songs prägen sich zusammen mit besonderen Situationen in das Relief unseres Lebens - von damals bis heute. "Das macht der so bis zum letzten Atemzug." Diesen Satz habe ich noch nie so  ernst und glaubwürdig wahrgenommen wie in diesem Fall.

NOT DEAD YET - offensichtlich. Herzlichen Dank, ein ewiger Fan.

Songs von Phil Collins und Genesis hörst du übrigens auch in unserem Radio Regenbogen 80er-Stream. Weitere Songs von ihm aus den 90er-Jahren hört ihr außerdem in dem Radio Regenbogen 90er-Webradio