Er hatte sogar eine Bibel mitgebracht und zu seiner Verteidigung daraus vorgelesen - doch gebracht hat es ihm nichts: Auch im Berufungsprozess ist ein Prediger der «Baptistenkirche Zuverlässiges Wort Pforzheim» (BKZW) nach Hetze gegen Homosexuelle verurteilt worden. Das Landgericht Karlsruhe sprach den 33-Jährigen der Volksverhetzung schuldig. Die BKZW ist dem Verfassungsschutz zufolge extremistisch.
Die neue Strafe von 150 Tagessätzen à 45 Euro liegt etwas über jener des Amtsgerichts Pforzheim in der Vorinstanz. Der Angeklagte habe in einer Predigt homosexuelle und queere Menschen beschimpft, als minderwertig dargestellt, verächtlich gemacht, ihre Menschenwürde angegriffen und ihnen das Lebensrecht abgesprochen, erklärte der Vorsitzende Richter Marco Lacedonia in Karlsruhe. Das sei böswillig, aus niederträchtiger Gesinnung geschehen.
In der Begründung ging Lacedonia auch darauf ein, dass die Predigt vor zwei Jahren - wie vom Angeklagten eingeräumt - gezielt im Juni gehalten worden sei. Also im «Pride Month», mit dem sich unter anderem Homosexuelle für gleiche Rechte und Sichtbarkeit einsetzen. Die Predigt sei live gestreamt und später im Internet veröffentlicht worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verteidiger ließ zunächst offen, ob er erneut Rechtsmittel einlegen will.
Beide Seiten wollten erstes Urteil nicht akzeptieren
Der Angeklagte hatte beim Auftakt vergangene Woche Unverständnis über die Einstufung einer seiner Predigten geäußert: «Ich wusste nicht, dass das Volksverhetzung ist.» Er könne nicht nachvollziehen, welche Aussagen genau volksverhetzend sein sollen. In seinem sogenannten letzten Wort sagte er, er wolle akzeptieren, dass es Volksverhetzung sei. Es sei aber nie seine Absicht gewesen, zu sagen, dass Homosexuelle umgebracht werden sollten.
Sein Rechtsanwalt hatte wie am Amtsgericht einen Freispruch gefordert. Aussagen seines Mandanten über Homosexuelle seien von der Meinungs- und Religionsfreiheit geschützt. Es sei darum gegangen, einen Bibeltext auszulegen. «Ein Angriff auf die Menschenwürde war die Predigt des Angeklagten nicht.»
Die Staatsanwaltschaft hingegen bezog sich unter anderem auf eine Aussage in der Predigt, nach der Menschen in der Müllverbrennung verbrennen. Sie habe selten klarere Aussagen gesehen, die den Straftatbestand erfüllten, sagte die Staatsanwältin. «Dass hier der Kern des Menschseins angegriffen wird, daran besteht für mich kein Zweifel.» Mit Blick auf die Auslegung eines Paulus-Briefs sagte sie: «Wir sind jetzt 2.000 Jahre später.» In ihrem Plädoyer forderte die Staatsanwältin eine Verurteilung des Mannes zu 180 Tagessätzen à 40 Euro.
Das Amtsgericht hatte den Prediger im ersten Prozess gegen die BKZW im Dezember 2024 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt, nachdem dieser einen - milderen - Strafbefehl nicht akzeptiert hatte. Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten hiergegen Rechtsmittel eingelegt.
Extremistische Ansichten und neuer Name
Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfV) führt die BKZW seit Mai 2023 als Beobachtungsobjekt und sieht sie als extremistische Bestrebung. «Viele Predigten enthalten gewaltbefürwortende Aussagen, die sich hauptsächlich gegen die Menschenwürde richten», heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht. Gefordert werde immer wieder die Todesstrafe für Homosexuelle. Gegen die Hauptverantwortlichen der BKZW seien mehrere Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet worden.
Der Gruppierung rechnet das LfV derzeit eine niedrige zweistellige Zahl an Personen zu, wie eine Sprecherin erklärte. Über ihre Onlineauftritte erreiche sie aber eine weitaus größere Zahl. Ungefähr seit dem Jahreswechsel 2024/2025 würden die Räume in Pforzheim nur noch sporadisch genutzt.
Ende 2024 habe die BKZW zudem mehrere Internetpräsenzen in «Deutschlands Seelen Gewinnen» umbenannt und ein neues Logo veröffentlicht. Das LfV geht davon aus, «dass diese Entwicklung auch in Zusammenhang mit der aktuellen Abwesenheit der drei hauptverantwortlichen Prediger steht». Statt einer organisierten Form arbeite die Gruppierung inzwischen loser als Evangelisationsgruppe und konzentriere sich auf das «Seelengewinnen».
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