Erst im Dezember hatte Präsident Macron François Bayrou zum Premierminister ernannt - nun steht seine Regierung vor dem Aus. (Archivbild)
Ludovic Marin/AFP POOL/AP/dpa
Erst im Dezember hatte Präsident Macron François Bayrou zum Premierminister ernannt - nun steht seine Regierung vor dem Aus. (Archivbild)
Politkrise in Paris

Vertrauensfrage: Sturz mit Ansage für Frankreichs Regierung?

Mit einem gewagten Poker will Frankreichs Premier Rückenwind für seinen Sparkurs bekommen. Doch ein Erfolg scheint fast unmöglich. Warum das Macron schwächen und politischen Stillstand bringen dürfte.

Was als Befreiungsschlag gedacht war, dürfte wohl in einem politischen Debakel enden: Wenn Frankreichs Premierminister François Bayrou am Montag in der Pariser Nationalversammlung im Streit um seinen Sparkurs die Vertrauensfrage stellt, ist schwer vorstellbar, dass er und seine Minderheitsregierung das Votum überstehen können. Frankreich droht damit, in eine Sackgasse zu rutschen. Und auch Emmanuel Macron, der als Präsident von dem Votum nicht bestätigt oder entmachtet werden kann, würde Schaden nehmen. Die zentralen Fragen im Überblick:

Was soll die Abstimmung?

Für den Premier ist die Vertrauensfrage eine Flucht nach vorn. Denn schon am kommenden Mittwoch muss die Regierung Massenproteste fürchten, die in Chaos enden könnten. Seit Wochen mobilisiert ein diffuses Bündnis dazu, an dem Tag «alles zu blockieren». Zudem kündigten sich die anstehenden Verhandlungen über den Sparhaushalt mit Milliarden-Kürzungen äußerst schwierig an. Es galt als durchaus wahrscheinlich, dass die Mitte-Rechts-Regierung darüber in den kommenden Wochen von der Opposition gestürzt wird - wie schon das Vorgängerkabinett im vergangenen Jahr.

Um all dem zuvorzukommen, will Bayrou schon jetzt eine klare Positionierung. Statt über die konkreten Sparmaßnahmen abstimmen zu lassen, ruft er das Votum zur Entscheidung zwischen «Chaos und Verantwortung» aus. Sein gewagter Poker: Alle, die grundlegend darin übereinstimmen, dass das hoch verschuldete Land den Gürtel enger schnallen muss, sprechen ihm das Vertrauen aus.

Warum ist der Spardruck in Frankreich so hoch?

Mit einem Haushaltsdefizit von zuletzt 5,8 Prozent ist Frankreich weit vom europäischen Grenzwert von 3 Prozent entfernt. Und die EU hat einen kritischen Blick darauf, ob Paris mit dem Sparen nun wirklich Ernst macht. Dabei war der ohnehin hohe öffentliche Schuldenstand zuletzt auf rund 114 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angestiegen. Damit ist Frankreich nach Griechenland und Italien das Land im Euroraum mit der höchsten Schuldenquote. In absoluten Zahlen hat Frankreich mit rund 3.300 Milliarden Euro den höchsten Schuldenberg im Euroraum.

Der von Bayrou Mitte Juli vorgelegte Haushaltsentwurf sieht ein Einsparvolumen von 43,8 Milliarden Euro vor. Alleine die Tilgungszahlungen für die Schulden drohten zum größten Haushaltsposten zu werden, noch vor den Ausgaben für Bildung oder Verteidigung, warnte der Premier.

Hat Bayrou Chancen, das Votum zu gewinnen?

Danach sieht es nicht aus. Eine einfache Mehrheit genügt, um die Regierung zu Fall zu bringen. Der Premier hatte wohl gehofft, mit Zugeständnissen das Vertrauen von Sozialisten oder Marine Le Pens Rechtsnationalen gewinnen zu können. Doch die stellten umgehend klar: nicht mit uns. Gerade den Sozialisten, die Bayrou beim Thema Rente vor den Kopf gestoßen hatte, dürften genug von Versprechungen des Premiers haben.

Auch Grüne, Kommunisten und die Linkspartei LFI wollen der Regierung das Vertrauen entziehen. Zusammen kommen sie alle auf 330 Stimmen. Das Mitte-Rechts-Lager der Regierung verfügt über gerade einmal 210 Stimmen. Die einzige Hoffnung der Regierung dürfte sein, dass viele Oppositionelle sich enthalten. Doch ein solches Szenario gilt als unwahrscheinlich.

Was passiert, wenn der Premier nicht die nötigen Stimmen bekommt?

Sollte Bayrou wie erwartet die Vertrauensfrage verlieren, muss er bei Präsident Macron den Rücktritt seiner Regierung einreichen. Der ist dann in Zugzwang und wird vermutlich versuchen, möglichst rasch einen neuen Premierminister zu ernennen. Der Vorlauf auf die Vertrauensfrage dürfte ihm Zeit gegeben habe, einige Optionen vorzusondieren.

Dennoch dürfte die Suche schwierig sein. Denn weder Macrons Mitte-Lager noch die linken Kräfte oder Marine Le Pens Rechtsnationale haben in der Nationalversammlung eine eigene Mehrheit. Entsprechend kompliziert dürfte die Regierungsbildung werden - zumal Koalitionen in Frankreich unüblich sind.

Um aus der verfahrenen Lage zu kommen, könnte Macron auch das Unterhaus auflösen und Neuwahlen ausrufen. Der Staatschef hat nach der für ihn unglücklich ausgegangenen Parlamentsneuwahl im Sommer 2024 zwar mehrfach durchblicken lassen, dies nur äußerst ungern tun zu wollen. Eine Option wäre es dennoch, sollte Macron keinen anderen Weg sehen.

Was hieße eine Schlappe der Regierung für Frankreich?

Die politische Krise des Landes würde sich verschärfen. Derzeit ist nicht absehbar, wer die verschiedenen Lager als Premier vereinen und Stillstand verhindern könnte. Auch Neuwahlen würden zunächst Instabilität bedeuten. Zutiefst unvorteilhaft wäre das für Frankreich auch, weil das Land seine Schulden in den Griff bekommen muss und ein Haushalt fürs nächste Jahr hermuss. Sollte länger niemand die Zügel in der Hand halten, könnte das einen weiteren Vertrauensverlust an den Märkten verursachen.

Muss Macron bei einer verlorenen Abstimmung zurücktreten?

Nein. Bei der Abstimmung geht es nur um die Regierung, nicht um Macron, der als Staatschef direkt vom Volk gewählt ist. Scheitert die Vertrauensfrage, wäre das aber auch für Macron eine Klatsche. Schon der zweite Premier in Folge wäre dann von der Opposition zu Fall gebracht worden. Die Schuld für die instabile politische Lage dürften viele dem Präsidenten in die Schuhe schieben. Denn die komplizierte Gemengelage, in der keine politische Kraft über eine eigene Mehrheit verfügt, ist ein Ergebnis der von Macron 2024 herbeigeführten Parlamentsneuwahl.

Die Linken haben bereits jetzt eine vorgezogene Präsidentschaftswahl gefordert. Eigentlich steht diese erst 2027 an. Die Rechtsnationalen dürften sich bei aller Kritik an Macron hier bedeckt halten. Denn noch steht wegen eines laufenden Justizverfahrens nicht fest, ob ihre Anführerin Le Pen bei einer Wahl überhaupt antreten dürfte. Sie machen allerdings Druck auf Macron, das Parlament erneut aufzulösen - in der Hoffnung auf weiteren Stimmzuwachs.

Was hieße das für Frankreichs Partner in Berlin und Brüssel?

Regierung hin oder her - außenpolitisch wäre weiter Macron am Drücker und erster Ansprechpartner. Weil der Staatschef sich aber um die Krise zu Hause wird kümmern müssen, dürfte er auf der internationalen Bühne vorerst kürzertreten und als Impulsgeber fehlen. Und wenn die zweitgrößte Volkswirtschaft ihre Finanzprobleme nicht in den Griff bekommt, wäre dies auch für europäische Partner ein Problem. Zum einen, weil die französische Wirtschaft und damit auch Handelspartner anderswo leiden würden. Und zum anderen, weil Frankreich als wichtigem Akteur, etwa bei großen Krisen wie dem Ukraine-Krieg, zeitweise das Geld knapp werden könnte.

Was passiert, wenn die Regierung doch das Vertrauen bekommt?

Kurzzeitig wäre die Regierung zwar gestärkt, der anstehende Sparhaushalt wäre damit aber noch nicht automatisch in trockenen Tüchern. Denn wenn die unterschiedlichen Lager sich am Ende nicht auf einen Kurs einigen können, könnte Bayrou in einigen Wochen dennoch per Misstrauensvotum aus dem Amt gedrängt werden. Genauso war es Bayrous Amtsvorgänger Michel Barnier im Dezember im Tauziehen um den Haushalt passiert.

Von Rachel Sommer, dpa
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