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Julian Nagelsmann verabschiedet sich nach Leipzig

Ein letzter Tanz

Ein Kommentar von Francesco Romano

Mit Julian Nagelsmann verlässt am kommenden Wochenende mit Sicherheit einer der interessantesten Bundesligatrainer die TSG Hoffenheim. In Leipzig wird er ab Sommer die Geschicke leiten und das mit womöglich genau dem gleichen Ehrgeiz und einem Engagement, von dem sich einige eine Scheibe abschneiden können.

Ich konnte im Stadion und auf dem Trainingsplatz selten einen Übungsleiter beobachten, der mit so viel Elan und Emotion bei der Sache ist, wie Nagelsmann. Der Flaschenwurf im Heimspiel gegen Mönchengladbach im Oktober 2017 dürfte da noch einigen in Erinnerung sein. Aus Wut pfefferte er eine Plastik-Wasserflasche aus Versehen in die Zuschauerränge. Eigentlich sollte die Flasche an die Wand fliegen. An genau dieser Szene bemerkte man aber auch, dass dieser Mensch Charakter hat, denn er machte das einzig Richtige. Direkt nach Abpfiff ging er auf die Tribüne, um sich persönlich zu entschuldigen.

Der Wille zu gewinnen ist eben riesig beim gebürtigen Bayer. Sah man auch vor der aktuellen Saison, als Nagelsmann zur Überraschung aller plötzlich ein viel zu hochgestecktes Ziel aussprach: die Meisterschaft. Nagelsmann strebt eben nach dem Maximalen und das will er auch unbedingt erreichen. Ähnlich wie nach dem Champions League Aus gegen Schachtar Donezk, als ihm kurzerhand die Hutschnur riss. Er lies sich zu einer Aussage verleiten, die Pressesprecher Holger Kliem dazu zwang die Pressekonferenz abzubrechen.

Weil ich halt gewinnen will! Diese Unentschieden gehen mir voll auf den Sack! Ich will jedes scheiß Spiel gewinnen! 

Eine Aussage, die man Nagelsmann einfach nicht übel nehmen kann, bis auf die Wortwahl vielleicht. Einige der interessantesten Aussagen von Nagelsmann zusammen mit den Wünschen der Fans findet ihr hier:
 

Julian Nagelsmanns Abschied

Aber warum auch nicht genau das sagen, was einem vorschwebt. Die Fans der TSG zeigten vor dem Heimspiel gegen Bremen ein Banner mit der Aufschrift "Aus dem Abstiegssumpf - nach Europa". Der 31-jährige führte eine Mannschaft, die eigentlich am Boden lag bis in die Europa League und anschließend in die Champions League. Nach dem 3:1 Triumph gegen Borussia Dortmund am letzten Spieltag machten die Hoffenheimer den größten Vereinserfolg klar und zogen in die Königsklasse ein. Zuerst stürmten die Fans den Rasen, nach Aufforderung des Stadionsprechers Mike Diehl zogen die Blau-Weißen Anhänger aber wieder zurück auf ihre Plätze. Um anschließend zusammen mit Nagelsmann auf dem Zaun den dritten Platz zu feiern. Gänsehaut pur!
 

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Aber wie seine sportliche und ehrgeizige Ader, schlägt auch seine soziale Ader aus. Bei einem Heimspiel des FC Bayern München gegen Borussia Dortmund zeigte sich Nagelsmann in einem roten Mantel. Prompt kochte die Gerüchteküche ihr eigenes Süppchen und redete den 31-jährigen als neuen Trainer des Rekordmeisters. Bis heute beteuern alle, dass da nix dran gewesen sei, den roten Mantel hat er ja schließlich auch nicht mehr. Der wurde auf "Ebay" versteigert, die Summe durch die TSG aufgestockt und an "Freezone" gespendet. Eine Einrichtung, die Jugendliche von der Straße holt, sie unterstützt und unterrichtet.

Sport und Story stets vereint

Nagelsmann selbst ist einfach immer für eine Geschichte neben dem Sport zu haben. Egal ob Flaschenwürfe oder pikante Aussagen über den vierten Offiziellen im Classico, "der steht dann wie der Ranger da und schaut das Spielfeld an. Das finde ich auch nicht schlecht" - oder auch Schönheitskorrekturen. Beim ersten Spiel der Bundesligasaison 2018/19 beim FC Bayern München zeigte sich Julian mit permanent Make-Up.

Ich hab Schlupflider und hab gern bisschen größere Augen und Frauen dürfen sich auch immer schick machen und da hab ich gedacht, kann man als Mann auch mal machen.

Ja ist uns aufgefallen, genau wie die Kragennadel.

Und sportlich: eine Koryphäe des Fußballs. Denn ihm und seinem Training ist es zu verdanken, dass eingie Spieler unter ihm besser wurden. Nico Schulz wurde in Hoffenheim zum Nationalspieler, steht jetzt kurz vor einem Wechsel zum Vizemeister Borussia Dortmund. Kerem Demirbay kam im Sommer 2016 aus Hamburg und avancierte zum Spielgestalter im Hoffenheimer Mittelfeld (mit über 30 Millionen Euro plus an Leverkusen verkauft). Pavel Kaderabek stürmte auf der rechten Außenbahn zu einem der wichtigsten Bausteine im Spiel der Kraichgauer. Aber auch Spieler wie Kevin Vogt, damals beim FC Köln auf dem Abstellgleis, entwickelten sich unter ihm so weit, dass plötzlich sogar die Bayern angeklopft haben sollen und Vogt verpflichten wollten. Nicht zu vergessen Benjamin Hübner, der Mann neben Kapitän Vogt. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass die TSG in der vergangenen Saison in der Königsklasse antrteten durfte. Auch er nahm durch den 31-jährigen eine rasante Entwicklung.

An die Fans der TSG Hoffenheim hat Julian Nagelsmanns noch einige Worte gerichtet, die wir euch natürlich nicht vorenthalten möchten
 

Julian Nagelsmann: Nachricht zum Abschied an die Fans der TSG Hoffenheim
Julian Nagelsmann: Nachricht zum Abschied an die Fans der TSG Hoffenheim

Die Zeit, die ich fast jeden Donnerstag Mittag auf den Pressekonferenzen und an den Spieltagen erlebt habe, war für mich eine durchaus lehreiche und interessante Zeit. Ich lernte eine Menge, was ich auch Ihnen, Herr Nagelsmann zu verdanken habe. Und das sowohl in sportlicher, als auch in menschlicher Hinsicht. Ich wünsche Ihnen mindestens eine so erfolgreiche Zeit bei RB Leipzig, wie sie Sie im Kraichgau erlebt haben. Und vor allem, dass Sie in naher Zukunft auch einen Titel feiern dürfen, denn das haben Sie sich durch ihre mutige Spielweise, frühe Wechsel und auch ihre Menschlichkeit durchaus verdient.