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Urteil für Mehmet Kilic wieder vertagt

„Ich will nicht Geißel von Erdogan werden“

Der Heidelberger Grünen Politiker und Anwalt Mehmet Kilic wurde von der türkischen Justiz wegen Präsidentenbeleidigung angeklagt. Seit Dezember läuft der Prozess gegen ihn

Heute sollte eigentlich das Urteil in Ankara fallen, doch es wurde wieder vertagt. Das hatte Kilic über seinen Anwalt Veysel Ok, der auch den „Welt“ Korrespondenten Deniz Yücel vertrat, erfahren. Kilic selbst ist nicht in die Türkei zu seinem Prozess gereist, denn dort droht ihm der Gang ins Gefängnis. Da Kilic, der ehemals dem Bundestag angehörte, nicht zu seiner Verhandlung erschien, wurde ihm gegenüber ein Fahndungsbefehl ausgesprochen. Dieser wurde auch heute nicht aufgehoben.

Der Grund für den Prozess soll ein Interview von Kilic gegenüber einer türkischen Internetzeitung gewesen sein, in dem er den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als „Vaterlandsverräter“ bezeichnet haben soll.

Sie wollen ihre Gegner stigmatisieren, kennzeichnen, zur Zielscheibe machen. Wir werden uns aber nicht unterdrücken und unterkriegen lassen.

Sagte Mehmet Kilic im Radio Regenbogen-Interview. Angst spürt der 53-jährige aber nicht. Er zitierte ein deutsches Sprichwort, das besagt „Angst ist ein schlechter Ratgeber“. Er möchte sich nicht unterkriegen lassen und für seine Freiheit kämpfen. Aus seiner Sicht gebe es zwei taktische Vorgehensweisen der türkischen Justiz.

Erstens: mit lauter Vertagungen wollen sie die Betroffenen zermürben, damit diese in Ungewissheit bleiben. Zweite Strategie ist: sie hoffen, dass das öffentliche Interesse an diesen politischen Prozessen abklingt und dann können sie ihr Unrechturteil in Ruhe fällen.

Dass eines Tages Beamte vor Kilics Haustür stehen, davor hat der Grünen Politiker keine Angst. Er sieht sich gut geschützt durch Deutschland, da er auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt.

Eigener TV Keller
Das Interview mit Mehmet Kilic führten wir in seinem Keller, den er teilweise zu einem TV Studio umfunktioniert hatte. Da der türkische Präsident Erdogan wohl die türkischen Medien unter Kontrolle bringen möchte. Laut Kilics Aussagen hatte das Regime zwei türkische Sender, die in Deutschland per Satellit sendeten, abgeschaltet.

Da habe ich gemerkt, dass er uns mundtot machen möchte. Und dann habe ich notdürftig in meinem Keller mit zwei Strahlern und ein paar Mikros ein Studio gegründet – amateurhaft. Und über Facebook, Twitter und Youtube strahlen wir gelegentlich Sendungen aus, was Erdogan nicht gefällt. Aber es dient der Meinungsfreiheit.

Über die Unterstützung des Heidelberger Gemeinderats freut sich Kilic sichtlich, dieser hatte sich vergangene Woche solidarisch gezeigt und ihm den Rücken gestärkt. Das sei Balsam auf der Seele, sagte er. Am 15. Mai will das türkische Gericht in Ankara wieder zusammenkommen, um ein Urteil zu fällen. Ob es dieses Mal so weit kommt, das steht allerdings noch in den Sternen.