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"Ich denke, dass Kinder auch daran wachsen, wenn sie auch mal eine Krise erleben."

Durchhalten im Lockdown: Wie beuge ich Depressionen vor?

Ansteckungsängste, strenge Kontaktbeschränkungen, Quarantäne, Schulen-, Geschäfts- und Betriebsschließungen, Homeoffice und permanente Kinderbetreuung zu Hause - das zehrt an den meisten von uns.
Und das kann auch gesundheitliche Folgen für uns haben. All diese Stressfaktoren können Angststörungen und Depression auslösen. All das bestätigt auch Katharina Domschke, Ärztliche Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Freiburger Uniklinik. Die Videosprechstunde wird im Moment sehr in Anspruch genommen und die Hotlines laufen heiß, sagt sie.

Frau Domschke, welche Anzeichen gibt es dafür, dass man in eine Depression rutscht?

Eine Depression ist gekennzeichnet durch Antriebs-, Freud- und Interessenverlust sowie niedergestimmte Grundstimmung. Eine Depression ist dann von Krankheitswert, wenn mindestens zwei bis drei Symptome über den Verlauf von zwei Wochen relativ unverändert vorliegen. Weitere Symptome können Schlaflosigkeit, Appetitverlust, das Gefühl von Wertlosigkeit, Perspektivlosigkeit und Abgeschlagenheit, Verlust von sexuellem Interesse sowie körperliche Symptome wie starke Rückenschmerzen sein.
 
Wie zeigt sich Depression bei Kindern?
 
Bei Kindern und Jugendlichen zeigt sich die Depression durch sozialen Rückzug. Die Kinder zeigen kein Interesse mehr an Freunden und an Hobbys. Das, was ihren früher Spaß gemacht hat, holt sie nicht mehr aus dem Haus und erfreut sie nicht mehr.
 
Und dann sollte man sich auch nicht scheuen, Hilfe beim Experten zu suchen. Doch was können wir tun, um uns vor einer Depression zu schützen?
 
Wir müssen uns auf Grundregeln des Lebens besinnen, die uns psychisch gesund halten. Dazu gehört, dass man Routinen pflegt. Wenn die Arbeit nicht mehr die Routine vorgibt, zum Beispiel wegen dem Homeoffice oder der Schule, dann ist es wichtig, dass man zu Hause nicht bis 10 Uhr schläft, sondern trotzdem um 7 Uhr aufsteht, dass man um 8 Uhr frühstückt und sich vornimmt um 8.30 Uhr am Schreibtisch zu sitzen.
 
Und was kann ich noch tun, um mein seelisches Gleichgewicht zu halten?
 
Wichtig ist, dass man die Balance zwischen Arbeit und Freizeit hält. Man muss versuchen, in der Freizeit bewusst positive Aktivitäten via Stundenplan zu planen. Man kann joggen gehen, vor dem Fernseher mit dem Hula-Hoop-Reifen trainieren oder einen Spaziergang machen. Sport ist ein belegtes Antidepressivum.
 
Apropos Stundenplan, ist der auch für Singles wichtig, die jetzt vielleicht auch das Gefühl haben zu vereinsamen?
 
Ein Stundenplan ist prinzipiell immer ein guter Tipp. Man darf sich ja mit einer weiteren Person treffen, Kontakte sollten über soziale Netzwerke gepflegt werden und Sport ist sehr wichtig. Sicherlich ist es auch gut für sich selbst eine Bilanz zu ziehen: Wie sieht es momentan im eigenen Leben aus und wie möchte man es in Zukunft gestalten?
 
Viele Familien leiden jetzt auch extrem. Die Kinder sind nonstop zu Hause und müssen betreut und schulisch unterstützt werden. Das ist für viele ein Kraftakt. Was kann man tun, beziehungsweise was soll man nicht tun?

Familien müssen darauf achten, dass ihr Ton im Rahmen bleibt. Dadurch, dass man andauernd aufeinander hockt, wird der Ton ruppiger, weil man überfordert ist. Innerhalb der Familie sollte man respektvoll und vorsichtig miteinander umgehen.
 
Vielen Kindern und Jugendlichen macht die Corona-Pandemie ja auch Angst. Wie können Eltern dafür sorgen, dass sich Ängste nicht festsetzen und gesundheitliche Folgen nach sich ziehen?
 
Die Ängste der Eltern sollten sich nicht auf die Kinder übertragen. Man weiß, dass Kinder Ängste der Eltern übernehmen. Wenn Eltern ein Tierbild mit einem ängstlichen Gesichtsausdruck entgegentreten, neigen Kinder dazu, eine Angst gegenüber dem Tier aufzubauen. Eltern müssen sich vor jedem gesprochenen Satz sicher sein, welche Botschaft der Satz vermittelt.
 
Was ist außerdem Gift?
 
Man weiß, dass der Konsum von sozialen Medien zur Verunsicherung führen kann und Verunsicherung ist ganz eng verknüpft mit der Entwicklung von psychischer Belastung.
 
Großes Thema sind ja gerade die Coronavirus-Mutationen, die uns aber auch den Kindern vielleicht angst machen. Wie gehe ich damit um?
 
Es wäre sinnvoll, den Kindern zu erklären, was eine Mutation ist. Eltern sollten kommunizieren, dass es Institutionen in unserem Staat gibt, die sich darum kümmern. Es gibt Experten, Virologen, Wissenschaftler, die Bundesregierung und die Landesregierung, die sich damit beschäftigen und das in den Griff bekommen können. Damit können die Kinder in der Krise ein Grundvertrauen aufbauen.
 
Bei vielen Kindern und Jugendlichen wird die Pandemie wohl Spuren hinterlassen. Gibt es auch etwas Positives in der Krise?
 
Ich denke, dass Kinder auch daran wachsen, wenn sie auch mal eine Krise erleben. Es gibt auch durchaus Psychologen, die sagen, dass Kinder an einer Krise wachsen und reifen können. Das hießt, ich würde nicht unbedingt die Krise wegreden, sondern auch den Kindern diese Krise bewusst machen. Woraus im Umkehrschluss bei den Kindern ein Bewusstsein erwächst, dass man dankbar sein muss für die Selbstverständlichkeiten, die Kinder vorher nur so hingenommen haben.