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Wir haben mit Medizinern gesprochen

Pro & Contra: Kinder gegen Corona impfen?

Das Thema Impfen gegen das Corona-Virus und seine inzwischen zahlreichen Varianten ist eines der bestimmenden Themen in unserer Gesellschaft. Die einen sind schon seit Wochen und Monaten geimpft, oder warten noch auf einen Impftermin, andere sind skeptisch oder lassen ihren zweiten Termin sausen. Eine Gruppe wird generell in Pandemiezeiten aber oft vergessen: die Kinder. Ob eine Impfung für Kinder und Jugendliche sinnvoll oder noch zu früh ist, wollten wir von Medizinern wissen.

Die ganze Woche haben wir in "Mein Morgen" mit Cristina Klee und Otti über Ruth Engelhardt berichtet. Unsere Radio Regenbogen Regionalreporterin ist Mama von zwei Mädchen im Teenageralter. Ruth hat uns ihre Situation erklärt: Ihre Töchter (14  und 16 Jahre) wollen geimpft werden, aber als Mama ist ihr die Informationslage zu dünn. Ihre 16-Jährige hat die Impfung jetzt bekommen, weil die Ärztin ihr grünes Licht gegeben hat. Die 14-Jährige will auch unbedingt, hat viele Kontakte, aber Mama ist sich unsicher. Deswegen wollte sie explizit wissen, was sinnvoll ist und was nicht und hat dafür mit Kinderärztin Renate Steiner aus Freiburg und mit Prof. Dr. Rüdiger von Kries aus München gesprochen. Letzterer ist Mitglied der Ständigen Impfkomission (STIKO).

Eltern in der Zwickmühle

Renate Steiner versteht Ruths Bedenken bzgl. einer Impfung für ihre 14-jährige Tochter. Die Kinderärztin ist selbst Mutter einer 16-jährigen Tochter, die schon geimpft ist, "und wir haben einen 13-jährigen Sohn. Und da zögern wir im Moment noch, weil die Vorgabe bzw. die Empfehlung der Ständigen Impfkomission ist, ab 18 Jahren erst gegen Corona zu impfen". Zwei Mütter in einer ähnlichen Situation. Also was tun? Trotz der entspannten Infektionslage jetzt im Sommer mit Inzidenzen um fünf ist Dr. Steiner aber skeptisch, was den Herbst angeht: "Ich denke, es wird dann noch mal ein Ausbruchsgeschehen geben und in Anbetracht dessen bin ich sehr am überlegen, ob wir nicht einfach unseren Sohn impfen, auch wenn er erst 13 ist und keine Risikofaktoren hat für einen schweren Corona-Verlauf." Das sagt Renate Steiner als Mutter. Als Ärztin halte sie sich aber an die Empfehlung der STIKO, was das Impfen ab 18 angeht. Ausnahmen mache sie nur bei Kindern mit Vorerkrankungen wie Asthma, Adipositas oder Diabetes. Andererseits sagt sie aber auch: "Jetzt ist es auch so, dass wenn Eltern wirklich sagen, 'wir wollen, dass unser zwölfjahriger Sohn oder unsere 13-jährige Tochter geimpft werden' und haben keine Vorerkrankungen und keine Risikofaktoren, und das Kind möchte es auch, dann klären wir noch mal auf, dass diese Gruppe keinen schweren Corona-Verlauf zu erwarten hat und dann impfen wir die auch in unserer Praxis." 
 

Kinderärztin Renate Steiner zur Nachfrage von Eltern

Können wir den Kindern eine natürliche Immunisierung zumuten?

Prof. Dr. Rüdiger von Kries aus München ist Mitglied der Ständigen Impfkomission. Ihn und seine Kollegen aus der wissenschaftlichen Gemeinschaft beschäftigt die Frage, ob man Kindern erlauben kann, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren. Ob das der Fall ist oder nicht, sei "noch nicht so ganz klar". Aber: "Die meisten Vertreter der Fachgesellschaften sagen: 'Ja, das ist so'." Von Kries:

Das ist so lange die einzige Option, die wir haben, als alle Dinge, die man machen kann, um dies zu verhindern, die Kindern wahrscheinlich mehr schaden, als die COVID-Erkrankung.

Anders würden die Karten gemischt, wenn es irgendwann einen Impfstoff für Kinder unter zwölf Jahren gäbe, der frei von Nebenwirkungen ist, so von Kries. "Aber das ist eine Zukunftsmusik. Wir werden vielleicht im September die ersten Ergebnisse einer Studie haben für die Impfung bei unter zwölfjährigen." Bis die abschließend bewerten sein würden, dauere es aber noch.

Nutzen und Risiko als Kernaspekte

Als Mitglied der STIKO ist es auch Prof. Dr. Rüdiger von Kries' Aufgabe, Daten auszuwerten und Ergebnisse zu bewerten, die bei den Impfempfehlungen eine Rolle spielen. Die Kernaspekte seien aber die Anzahl der verhinderten Fälle durch die Impfung und die möglichen Risiken, die durch die Impfung entstehen können. Nutzen und Risiko sind die Kernaspekte, die bei uns berücksichtigt werden."
 

von Kries zur Bewertung zwischen Impfung und COVID-Erkrankung bei Kindern

Nebenwirkungen des Impfstoffs aus der Praxis

Zurück zu Kinderärztin Renate Steiner aus Freiburg. Sie hat schon einige Kinder zwischen zwölf und 18 geimpft. "Ganz klassisch haben die Jugendlichen drauf reagiert, wie es auch beschrieben wird, also mit ein bisschen Müdigkeit, Abgeschlagenheit und der Arm hat weh getan. Ab und zu gibt es mal Gliederschmerzen und Fieber, aber viel mehr ist tatsächlich nicht passiert und habe ich jetzt nicht beobachten können und weiß es nicht aus den Bekannten- und Freundeskreis", so Steiner. Sie sagt aber auch, dass man derzeit keine Langzeitbeobachtungen habe. Man wisse nicht, was nach drei Monaten, einem halben Jahr oder nach fünf Jahren passiert. "Das ist bei den Erwachsenen auch so, aber da sind größere Fallzahlen bekannt und eine längere Beobachtungszeit", so Steiner weiter.
 

Fazit

Noch immer ist die Datenlage also zu dünn, um zu entscheiden, ob eine Impfung der zwölf bis 18-Jährigen - oder jünger - sinnvoll ist oder nicht. Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass eine, wie Kritiker es nennen, "Durchseuchung" der Kinder mit COVID vertretbar ist, wissen aber auch noch nicht genau um die Langzeitfolgen, auch wenn eine Erkrankung tendenziell erst mal mild verlaufen würde. Ähnlich sieht es bei den Ärztinnen und Ärzten aus, die Jugendlichen ein Impfangebot machen. Die Vorteile sind klar: der Schutz vor einer schweren Erkrankung und idealerweise der Weitergabe der Erreger. Aber auch hier sind die Langzeit-Nebenwirkungen noch nicht ausreichend erforscht. Abwarten und Vorsicht, das Halten an Hygieneregeln und noch ein bisschen Geduld könnten sich also eher auszahlen, als Aktionismus oder zu hohes Risiko.