Geburtstage im Amtsblatt - Datenschützer kritisiert Palmer
Was nach netter Geste klingt, kann für Bürger riskant werden: Tübingen hat ohne Einwilligung Geburtstagsgrüße im Amtsblatt veröffentlicht – und steht nun im Fokus der Datenschutzbehörde.
Was nach netter Geste klingt, kann für Bürger riskant werden: Tübingen hat ohne Einwilligung Geburtstagsgrüße im Amtsblatt veröffentlicht – und steht nun im Fokus der Datenschutzbehörde.
Geburtstagsgrüße dürfen ohne eine Einwilligung des Bürgers nicht im Amtsblatt einer Stadt veröffentlicht werden - das schreibt der Datenschutz vor. Weil in Tübingen aber genau das passiert ist, hat OB Boris Palmer Ärger mit der Datenschutzbehörde, wie er in den sozialen Medien postete.
Ein Tübinger Bürger hatte sich wegen Geburtstagsgrüßen der Stadt, die im Amtsblatt veröffentlicht wurden, beschwert. Mit der Folge, dass Tübingen ein neues Datenschutzverfahren am Hals habe, postete Palmer in den sozialen Medien und ärgerte sich wortstark darüber.
Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Tobias Keber, wies die Kritik aus Tübingen entschieden zurück. Selbstverständlich könne ein Oberbürgermeister einem Jubilar individuell gratulieren, sagte Keber. Dafür gebe es eine Rechtsgrundlage. «Keine Rechtsgrundlage gibt es hingegen seit zehn Jahren für die Veröffentlichung der Jubiläen in den Amtsblättern, welche zwischenzeitlich auch vielfach online abrufbar und damit weltweit zugänglich sind».
Datenschützer warnt vor Schockanrufen nach Geburtstagsgrüßen
Die Datenschutzbehörde wies darauf hin, dass es keine gesetzliche Grundlage für die Veröffentlichung von Jubiläen im Amtsblatt mehr gibt. «Es ist jedoch dennoch möglich, auf diese Art und Weise öffentlich zu gratulieren, wenn die betroffene Person sich einverstanden erklärt.» Es sei zulässig, dass Bürgermeister die Daten aus dem Melderegister verwendeten, um zu gratulieren und nachzufragen, ob eine Veröffentlichung im Amtsblatt gewünscht sei, sagte der Sprecher der Datenschutzbehörde.
Es müsse bedacht werden, dass mit online veröffentlichten Informationen auch Künstliche Intelligenz (KI) trainiert werde, sagte Keber. «Eine Veröffentlichung ist daher nur mit Einwilligung möglich.»
Zahlreiche Kommunen hätten ihre Verfahren an die Rechtslage angepasst und veröffentlichten Jubiläen gar nicht mehr oder ausschließlich mit Einwilligung. Das sei wichtig gerade mit Blick auf die Gefahren möglicher Schockanrufe oder Enkeltrickbetrügereien durch Kriminelle, die öffentlich zugängliche Informationen zur Vorbereitung ihrer Handlungen nutzten.
Er habe die Stadt Tübingen angeschrieben und aufgefordert darzulegen, auf welcher rechtlichen Grundlage sie öffentlich einem Bürger zu einem Jubiläum gratuliere. Eine Stellungnahme der Stadt Tübingen zur Kritik von Keber gab es bis zum frühen Nachmittag nicht.
Immer wieder Beschwerden über Amtsblätter
Die Datenschutzbehörde teilte mit, es gebe zahlreiche Beschwerden von Personen, die ohne ihre Einwilligung im Amtsblatt genannt wurden. «Derzeit erreichen den Landesbeauftragten zwei bis drei Beschwerden pro Monat über öffentliche Stellen in Bezug auf solche und vergleichbare Sachverhalte», sagte ein Behördensprecher. Der Landesbeauftragte sei verpflichtet, Beschwerden nachzugehen.
Die Landeshauptstadt Stuttgart schrieb auf Anfrage, dass Menschen, die den 100. Geburtstag feierten, vorab postalisch kontaktiert würden. In einem Schreiben würden sie gefragt, ob sie Besuch von einer Amtsträgerin oder einem Amtsträger wünschten. Im Zuge dieses Besuchs werde auch ein Foto für das Amtsblatt gemacht. Dieses Foto werde noch mit einer erklärenden Unterzeile versehen. Nur, wenn das Einverständnis vorliege, werde so gehandelt, sagte ein Sprecher.
Auch in Ulm werden die Bürger gefragt, ob die Jubiläen veröffentlicht werden dürfen. «Die Jubilare können wählen, ob sie nur unter "Gratulationen" veröffentlicht werden wollen oder mit ganzem Artikel oder eben gar nicht», sagte ein Stadtsprecher.
In Karlsruhe werden laut einem Stadtsprecher nur ausgewählte Jubilare abgedruckt. Die Berichterstattung erfolge beispielsweise im Rahmen eines Besuchs durch den Oberbürgermeister oder anderen Vertreterinnen und Vertretern aus der Verwaltung. «Diese Besuche sind abgestimmt, so auch die anschließende Berichterstattung.»
Darüber hinaus nehme die Stadt mit Jubilaren Kontakt auf und frage nach einer Weitergabe der Daten an die örtliche Tageszeitung zur Berichterstattung. «In diesem Fall gilt keine Rückmeldung als Absage. Es werden nur Daten weitergegeben, wenn die Personen ihr Einverständnis erteilt haben.»
Der Städtetag Baden-Württemberg hat keinen landesweiten, verlässlichen Überblick - und auch keine Zahlen über Beschwerden. «Nach unseren Erkenntnissen wird das vor Ort unterschiedlich gehandhabt», sagte eine Sprecherin.
Palmer: Nörgler verwehren anderen Anerkennung
Palmer beschreibt den ganzen Vorgang in seinem Facebook-Post als «Bürokratismus im Endstadium». «Wenn wir alle Jubilarinnen und Jubilare erst durch halbe Datenschutznovellen schicken müssen, um eine simple Gratulation zu veröffentlichen, dann lassen wir es irgendwann bleiben. Dann sorgen ein paar notorische Beschwerdefreunde dafür, dass Tausende andere Menschen keine öffentliche Anerkennung mehr bekommen.» Eine Stadt, die nicht einmal mehr gratulieren dürfe, habe irgendwann kein Amtsblatt mehr nötig.
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