Er kommt aus der Bundespolitik und will im Land bleiben: Cem Özdemir.
Bernd Weißbrod/dpa
Er kommt aus der Bundespolitik und will im Land bleiben: Cem Özdemir.
Schule

Kampf gegen Schulabbrecher: Özdemir fordert Bildungs-ID

Gut 7.500 Jugendliche verließen im vergangenen Jahr die Schulen im Land ohne Abschluss. Dagegen will Grünen-Spitzenkandidat Özdemir vorgehen – mit einer Art «Frühwarnsystem».

Alle Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg sollten nach Vorstellung des Grünen-Politikers Cem Özdemir eine digitale Identifikationsnummer bekommen. «Wir brauchen eine Bildungs-ID. Warum ist es allgemein akzeptiert, dass wir mit einer ID sämtliche Steuerdaten einer Person erfassen, aber bei der Bildungsbiographie fehlt ein systematischer Überblick?», sagte der Spitzenkandidat der Grünen für die Landtagswahl der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Laut Kultusministerium ist die Einführung einer solchen ID bereits in Arbeit. 

Mit der ID will Özdemir etwa verhindern, dass Kinder und Jugendliche die Schule ohne Abschluss abbrechen. «Eine Bildungs-ID wäre auch eine Art Schulabbrecher-Prellbock. Sie könnte als eine Art Frühwarnsystem Alarm schlagen, bevor ein Schüler durch das Raster fällt», sagte Özdemir.

Während Corona waren Schüler einfach weg

Während der Corona-Pandemie habe man beobachtet, dass sich Kinder von weiterführenden Schulen einfach abgemeldet hätten. «Aber die dann weder Ausbildung noch Studium begonnen haben. Wo sind die? Die sind einfach weg.» Man könne es sich aber weder bildungspolitisch noch wirtschaftspolitisch leisten, dass auch nur ein einziges Kind verloren gehe, sagte Özdemir, der in der Ampelregierung auch zeitweise das Bundesbildungsministerium leitete.

Nach Angaben des Statistischen Landesamts verließen im vergangenen Jahr gut 7.500 Schülerinnen und Schüler die Schule ohne einen Schulabschluss. Das waren 5,3 Prozent aller Schulabgängerinnen und -abgänger in dem Jahr. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Anteil der Schulabbrecher deutlich erhöht. 2014 lag ihr Anteil noch bei 3,4 Prozent aller Abgängerinnen und Abgänger.

Konkret stellt sich der Grünen-Spitzenkandidat für die Landtagswahl vor, dass den Kindern am ersten Tag, an dem sie im Schulsystem ankommen, eine individuelle Identifikationsnummer zugewiesen wird. Diese soll dann von Schulform zu Schulform weitergegeben werden. «Wenn ich von der Grundschule auf die Gemeinschaftsschule oder aufs Gymnasium wechsle, dann bekommt die neue Schule Zugriff auf die ID und alle Informationen, die man zur Bildungsbiographie des Kindes hat», sagte Özdemir.

Schüler-ID ist auch auf Bundesebene im Gespräch

Über die ID könne man dann nicht nur das Zeugnis einsehen, sondern die ganze Breite der Bildungskarriere beobachten und schauen, wo das Kind Lücken und Stärken habe und wo man es fördern müsse. «Das wäre ein wichtiger Baustein für eine zielgenaue Förderung und mehr Bildungsgerechtigkeit», sagte Özdemir. Perspektivisch brauche man auch eine bundesweite ID, so der Grünen-Politiker. «Dann verschwinden Schülerinnen und Schüler auch beim Umzug in ein anderes Bundesland nicht vom Radar.»

In Niedersachsen will die rot-grüne Landesregierung eine digitale Identifikationsnummer für Schülerinnen und Schüler noch in der laufenden Legislaturperiode bis 2027 einführen. Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung heißt es, man unterstütze die Einführung einer zwischen den Ländern kompatiblen und datenschutzkonformen Schüler-ID.

CDU: ID längst in Arbeit, Özdemir «planlos»

Auch Baden-Württemberg steht laut CDU-Landtagsfraktion vor Einführung einer solchen ID. «Der vom Kabinett im Juni zur Anhörung freigegebene Gesetzentwurf sieht vor, dass jeder Schülerin und jedem Schüler eine individuelle Schüler-ID zugeordnet wird, die für die gesamte schulische Laufbahn Gültigkeit behält», sagte der bildungspolitische Sprecher, Andreas Sturm. «Wenn Cem Özdemir nun die Einführung einer Schüler-ID fordert, wirkt das eher planlos, denn lösungsorientiert.» Die CDU wolle keine Symbolpolitik und keine «Schlagzeilen fürs Schaufenster.»

Das Kultusministerium teilte auf Nachfrage mit, dass die Einführung einer solchen ID für das Schuljahr 2027/2028 vorgesehen sei. Ziel sei etwa die Vermeidung von wiederholten Datenerfassungen und Doppelbuchungen und die Erleichterung der Abläufe etwa bei Schulwechseln.

Die SPD unterstützt den Vorschlag – eine ID könne aber nur sinnvoll wirken, wenn sie bundesweit gelte. Die AfD hingegen spricht von einer «totalen Überwachung» von Kindern.

Die FDP wirft Özdemir hingegen vor, mit dem Vorschlag von den eigentlichen Problemen in der Bildungspolitik abzulenken. «Nach 14 Jahren grüner Bildungspolitik unter Winfried Kretschmann ist das Bildungsniveau in Baden-Württemberg beispiellos abgestürzt», kritisierte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Timm Kern. Ursache sei nicht eine fehlende Schüler-ID, sondern etwa die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung oder die Abschaffung der Werkrealschule.

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