Wer erinnert sich gern an die Corona-Zeit?
An die Pandemie-Zeit möchte sich eigentlich kaum jemand erinnern – geschweige denn, sie als Filmstoff erleben. In «Eddington» ist das anfangs allerdings noch amüsant. Der Film beginnt als zynische Satire auf eine verunsicherte Gesellschaft, in der gesunder Menschenverstand dem Dauerempörungsmodus gewichen ist.
Beispielhaft ist die Szene, in der Joe Cross außerhalb der Stadtgrenze von zwei dortigen Polizisten aufgefordert wird, seine Maske aufzusetzen, obwohl er mitten in der Wüste allein im Auto sitzt.
Mit bissigem Humor zeigt Ari Aster überforderte Ordnungshüter, selbstgerechte Aktivisten, verlogene Mitläufer - und weiße Teenager, die sich unter Tränen für ihre Hautfarbe entschuldigen. Dabei bezieht er keine Seite und teilt seine Figuren nicht in gut und böse ein.
Eddington ist ein Mikrokosmos, in dem politische Hysterie, die Wirkung sozialer Medien und persönliche Kränkungen das Klima vergiften - eine Gesellschaft im Kontrollverlust, in der jeder glaubt, im Recht zu sein, und niemand mehr zuhört. Ein überzeichnetes Spiegelbild des modernen Amerika.
Eine Geschichte, in der es nur Verlierer gibt
Oscar-Preisträger Joaquin Phoenix («Joker») liefert wieder einmal eine großartige Performance. Hingegen kommen Pedro Pascal und die zweimalige Oscar-Gewinnerin Emma Stone («La La Land», «Poor Things») in «Eddington» weniger zur Geltung, weil ihre Charaktere zu oberflächlich sind.
Visuell überzeugt der Film dank der eleganten Bilder des erfahrenen, französischen Kameramanns Darius Khondji («Panic Room», «Midnight In Paris»), die «Eddington» die Aura eines modernen Westerns geben.
Aber Ari Aster verlangt dem Publikum einiges ab. Mit einer Laufzeit von fast zweieinhalb Stunden ist der Film zu lang - und er wirkt überfrachtet. Es gibt zu viele Figuren und Nebenschauplätze. Das ist ermüdend. Manche Handlungsaspekte führen ins Leere und hinterlassen Fragezeichen. So kommt etwa das Thema Missbrauch zur Sprache, wird aber nicht weiter verfolgt.
Der dramatische, genial gefilmte Showdown wäre normalerweise packend. Das Problem ist, dass man vieler Charaktere zu diesem Zeitpunkt im Film schon überdrüssig ist. Sympathisch ist nämlich irgendwann niemand mehr in dieser alptraumhaften Geschichte, in der es eigentlich nur Verlierer gibt.
Von Philip Dethlefs, dpa
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