CDU ringt um Abgrenzung zur AfD
Alle Versuche, den Aufstieg der AfD durch Ausgrenzung aufzuhalten, sind bisher gescheitert. In der CDU werden nun Rufe nach einem Kurswechsel lauter. Der Parteichef hält dagegen.
Alle Versuche, den Aufstieg der AfD durch Ausgrenzung aufzuhalten, sind bisher gescheitert. In der CDU werden nun Rufe nach einem Kurswechsel lauter. Der Parteichef hält dagegen.
Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz will die Wahlkämpfe im kommenden Jahr auf eine Auseinandersetzung mit der AfD zuspitzen und bei einem klaren Abgrenzungskurs bleiben. Vor einer Strategieklausur des CDU-Präsidiums in Berlin trat er Forderungen aus seiner Partei nach einer Aufweichung der Brandmauer zur AfD entgegen. Es gebe keine Zusammenarbeit mit einer Partei, die alles infrage stelle, was Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten stark gemacht habe - «jedenfalls nicht unter mir als dem Parteivorsitzenden der CDU Deutschlands», sagte er bei einem Auftritt in seinem Wahlkreis im Sauerland.
Die CDU-Führung kam am Sonntag in Berlin zu zweitägigen Beratungen über die Strategie für die fünf Landtagswahlen im kommenden Jahr unter besonderer Berücksichtigung des Kurses gegenüber der AfD zusammen. Merz hatte die AfD zum «Hauptgegner» in den kommenden Wahlkämpfen erklärt, nachdem zuvor einzelne CDU-Politiker in den vergangenen Tagen an der Brandmauer gerüttelt hatten. Die SPD erklärte den Umgang der Union mit der AfD am Wochenende zur Koalitionsfrage. Am Montag wollen Merz und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann auf einer Pressekonferenz über Ergebnisse ihrer Strategieberatungen informieren.
Die Ausgangslage: AfD hat Union eingeholt
Die Ausgangslage dafür ist düster. In den bundesweiten Umfragen kommt die AfD inzwischen auf 25 bis 27 Prozent und hat mit der Union gleichgezogen. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, wo nächstes Jahr neue Landesparlamente gewählt werden, ist die AfD mit Werten an die 40 Prozent in den Umfragen bereits mit Abstand stärkste Partei. Alle Versuche, den Aufstieg der Partei durch Ausgrenzung zu stoppen, sind gescheitert.
Als Merz 2018 erstmals für den Parteivorsitz kandidierte, schrieb er auf dem Online-Portal Twitter, heute X: «Wir können wieder bis zu 40 % erzielen und die AfD halbieren. Das geht!» Damals war die AfD gerade wieder in den Bundestag zurückgekehrt und lag in den Umfragen bei etwa 14 Prozent. Die Entwicklung der vergangenen sieben Jahre ist das Gegenteil von der damaligen Zielsetzung des heutigen Kanzlers. Die Werte der AfD haben sich fast verdoppelt.
Die Ansage des Chefs: Keine Zusammenarbeit
Vor dem CDU-Strategietreffen stellte Merz dennoch klar, dass es mit ihm als Parteivorsitzendem keinen grundsätzlichen Kurswechsel geben werde. «Es gibt zwischen der CDU und der AfD keine Gemeinsamkeit», betonte er bei einem Auftritt im sauerländischen Meschede. Die AfD stehe gegen die Europäische Union, gegen die Europäische Währungsunion, gegen die Nato, gegen die Wehrpflicht. «Die steht gegen alles, was die Bundesrepublik Deutschland in den letzten acht Jahrzehnten groß und stark gemacht hat.»
Die Haltung des Kanzlers entspricht einem Parteitagsbeschluss von 2018. «Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab», heißt es darin.
Die Formulierung «ähnliche Formen der Zusammenarbeit» lässt aber Spielraum. Wenn die AfD Anträgen der Union im Bundestag zustimmt, fällt das für Merz nicht darunter. Das machte er in einem Interview «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» deutlich: «Wenn wir etwas für richtig halten, dürfen wir uns nicht von der AfD abhängig machen.» So hat Merz es auch im Wahlkampf als Oppositionsführer gehandhabt, als ein Migrationsbeschluss nur mit den Stimmen der AfD zustande kam.
Die Strategie: Inhaltliche Auseinandersetzung statt Verbot
Merz will die Wahlkämpfe im kommenden Jahr auf die Auseinandersetzung mit der AfD als Hauptgegner konzentrieren. Sie würden «vermutlich allein um die Frage gehen: die oder wir», sagt er.
Der Kanzler setzt darauf, die AfD inhaltlich zu stellen. «Wir müssen vor allem den Wählerinnen und Wählern in Deutschland ein gutes Angebot machen, so dass sie gar nicht auf den Gedanken kommen, erneut möglicherweise bei der nächsten Wahl wieder diese Partei zu wählen.»
Von dem von der SPD angestrebten Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hält Merz wenig. Die rechtlichen Hürden dafür lägen zu hoch, sagt er. «Ich habe wenig Sympathie dafür, mit einem solchen Instrument zu arbeiten.»
Die Zweifler: «Entzauberung gelingt nicht durch Boykott»
Trotz aller Beteuerungen flammt die Debatte über den Umgang mit der AfD immer wieder auf. Vor der Präsidiumsklausur stießen drei ehemals einflussreiche Unionisten sie wieder an: Ex-CDU-Generalsekretär Peter Tauber, der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und der frühere Vorsitzende der CDU-Grundwertekommission, Andreas Rödder.
«Entzauberung gelingt nicht durch Boykott», sagte der frühere CSU-Generalsekretär Guttenberg dem «Stern». Auch Tauber beklagte, dass eine «reine Stigmatisierung» nicht zum Verschwinden der AfD führe. Mehrere ostdeutsche CDU-Politiker schlossen sich dieser Einschätzung der Altvorderen in öffentlichen Äußerungen an.
Der Mainzer Historiker Rödder sieht die CDU schon länger in einem «politischen Teufelskreis». Die Union sei durch die Brandmauer gezwungen, mit linken Parteien zu koalieren und ihnen Zugeständnisse zu machen, meint er. Dadurch verliere sie aber an Zustimmung, was die AfD stärkere. Er sieht die Frage des Umgangs mit der AfD daher als Existenzfrage für die Union.
Der Koalitionspartner: «Das muss dringend gestoppt werden»
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil forderte die CDU-Führung am Wochenende auf, sich offensiv gegen solche Stimmen aus den eigenen Reihen zu wenden. «Ich erwarte von allen in der Union, die Verantwortung tragen, dass sie sehr deutlich machen: Mit der AfD gibt es keinerlei Form der Zusammenarbeit, weder im Bund noch in den Ländern», sagte der Vizekanzler der «Bild am Sonntag». «Diese Festlegung war für uns eine Eintrittsbedingung in die Bundesregierung.»
Er habe zwar keine Zweifel daran, dass Kanzler Merz jede künftige Zusammenarbeit mit der AfD ablehne, sagte Klingbeil. «Aber ich nehme natürlich wahr, dass es andere in der CDU gibt, die versuchen, diese klare Abgrenzung aufzuweichen. Das muss dringend gestoppt werden.»
Von Michael Fischer, dpa
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