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Fatshaming nur andersrum

Iss mal was - die Sache mit dem Skinny-Bashing

Erst kürzlich betrat ich einen Raum und wurde mit den Worten „Iss doch mal was!“ begrüßt. Auch Sticheleien wie „Hast du deinen Arsch zu Hause gelassen?“ muss ich über mich ergehen lassen. In den meisten Situationen versuche ich dann dieses Getuschel zu überhören, aber im Gedächtnis bleiben mir solche Sätze immer. Es gab Zeiten, da hätte ich nach solchen Kommentaren den Tag schmollend in meinem Zimmer verbracht.

Und gerade dann, wenn ich wieder zu Hause bin, plagen mich diese Kommentare. In solchen Momenten denke ich mir immer, locker bleiben und einfach darüber hinweg hören. Doch auch wenn diese Aussagen schon eine gefühlte Ewigkeit her sind, denke ich auch heute noch darüber nach. Nicht aus Ärger oder Trauer, sondern aus Frust. Immer wieder stellt sich mir die Frage: Warum wird es von der Gesellschaft toleriert, dass jemand sich so offensichtlich über „dünne“ Menschen auslassen darf?  Gerade in Zeiten von Social Media ist dieses Thema noch viel größer geworden und hat sogar eine eigene Bezeichnung bekommen: Skinny-Bashing

Es ist erschreckend, was man alles findet, wenn man den Begriff durch die Suchmaschine jagt. Gerade auf Blogs wie Tumblr oder anderen sozialen Netzwerken wie Instagram häufen sich Kommentare. Wehren sich die ein- oder anderen Betroffenen, bekommen diese zu hören, dass man sich nicht beschweren sollte, man sollte das als Kompliment nehmen. Es wäre doch nur Neid der Anderen – aber trotzdem rate man einem, besser ein wenig zuzunehmen.
 

(„Kein Skinny-Bashing! Jeder kann jede Größe tragen die er sein will, aber wir brauchen dickere Schaufensterpuppen. #Übergröße“)

 
Wisst ihr eigentlich, wie diskriminierend das ist? 

Bereits seit Jahren schimpft die Allgemeinheit über zu dürre Models, zu viel Stereotyp und zu wenig Normalität. Es hagelt Sprüche wie „Männer wollen Kurven – nur Hunde spielen mit Knochen!“ oder „echte Frauen haben Kurven“ – bin ich etwa keine echte Frau? 
Zuerst einmal: Ja, ich bin schlank. Schon immer. Ich bin 1,78 cm und trage eine kleine Kleidergröße. Ich kann essen so viel ich möchte und ich werde trotzdem nicht dick. Ich mache gerne Sport und ernähre mich gesund. Wo ist das Problem? 
Nicht jede/r, der oder die dünn ist, ist physisch oder psychisch krank. Und ja, solche Menschen existieren wirklich! Entweder haben diese schlanken Personen einen extremen Stoffwechsel, oder aber durch Sport und gesunde Ernährung ihren Körper so geformt, wie er ihnen selbst am besten gefällt.

Schnell werden solche Menschen beim Sport schief angesehen, schließlich hätten sie es gar nicht nötig sich zu bewegen. Dass man Sport aber einfach aus Spaß treiben könnte, verstehen die wenigsten. Ein anderes Szenario: Eine dünne Person bestellt sich im Restaurant einen Salat und bekommt im Gegenzug vorwurfsvolle Blicke von dritten. Ist euch schon mal in den Sinn gekommen, dass Menschen wie ich einfach mal Lust auf einen Salat hatten? 
Menschen wie ich sind gesund. Ich zähle keine Kalorien und esse auch Süßigkeiten und Fastfood, wenn mir danach ist. Möchte ich aber mal einen Salat essen oder mich beim Sport auspowern, verlange ich deswegen nicht schief angesehen zu werden. 

Sticheleien prägen schon im Jugendalter

Als Kind ist es kein Problem, wenn man dünn ist – schließlich hat der Großteil zu diesem Zeitpunkt eine zarte Figur. Als Jugendlicher wird es dann schon etwas komplizierter: Während alle anderen Mädchen langsam Rundungen bekamen, war ich flach wie ein Brett. Ich schoss nur in die Höhe – und war immer mit Abstand die Größte. Gerade in diesem Alter ist das Selbstbild von Teenagern abhängig von der Außenwelt. So bekam ich von Freunden und Bekannten oft Sprüche wie „Strich in der Landschaft“, „Hungerhaken“ oder „Bekommst du zu Hause nichts zu essen“ zu hören. Das hat mich geprägt.

In meinem Umfeld war es nie üblich gewesen, eine übergewichtige Person auf ihr Äußeres anzusprechen. So sagte nie jemand Dinge wie „Du bist ja richtig dick“, „Fettsack“ oder „Iss mal etwas weniger, das könnte dir nicht schaden“. Aus Angst die Person zu verletzen, würde niemand eine übergewichtige Person auf ihre Figur ansprechen. Einer Person hingegen zu sagen, sie sollte ruhig noch ein Stück Torte essen, weil diese es sich ja erlauben kann, gilt als normal und ist alltäglich. Was mich noch mehr beschäftigt: Lehnt man zum Beispiel das Stück Torte ab, schmettern einem Leute gleich Sätze wie „Bist du magersüchtig?“ um die Ohren. 
 

("Dumme dünne Mädchen“, „Du hast es leicht“, "Die meisten Mädchen wünschen sich, so auszusehen wie du.“, "Alle Körper sind schön * Geschäftsbedingungen mögen gelten", "Du bist aber dünn!“, "Lügner!", "Wie kannst du nur so unsicher sein?" )

Auch dünne Menschen haben Gefühle

Ich habe irgendwie den Eindruck, dass viele nicht-dünne Menschen denken, dass man dünne Menschen beliebig beleidigen kann. Weil es ja so wunderbar ist dünn zu sein. Weil es ja den Schönheitsidealen der Modeindustrie entspricht und es somit ohnehin an den Betroffenen abprallen würde. Überraschung: Es ist trotzdem verletzend!
Möchte man sich gegen diese Diskriminierung wehren, heißt es schnell, man solle sich doch nicht beschweren, es wäre doch ein Kompliment. NEIN. Ist es nicht. 
Es ist kein Kompliment einem zu raten „mal etwas zu essen“. 
Es ist kein Kompliment wenn man grundlos dafür kritisiert wird, wie man gebaut ist. 
Es ist kein Kompliment jemandem eine schwere psychische Krankheit wie Magersucht vorzuwerfen. 

Und nein, ich möchte dünn sein nicht als gut darstellen oder gar verherrlichen. Ich möchte auch nicht das große Size-Zero Problem der Modeindustrie bestärken. Genau so wenig möchte ich, dass Übergewichtige schief angesehen oder beleidigt werden. 
Denn das ist genau so wenig gesellschaftsfähig, wie Skinny-Bashing.
Was ich damit sagen möchte: Egal, ob man untergewichtig oder übergewichtig ist, niemand sollte sich für seinen Körper rechtfertigen müssen. Außerdem sollte man sich unsensible Kommentare niemals zu Herzen nehmen und sich davon beeinflussen lassen. Zudem wünsche ich mir, dass die Gesellschaft aufhört, jeden in eine Kategorie zu stecken. Was sagt meine Kleidergröße über mich aus? Was gibt einem das Recht, so über jemanden zu urteilen? 

Ich für meinen Teil, habe aufgehört mich über die Meinung anderer zu definieren. Ich bin so wie ich bin, das kann ich nicht ändern – und das ist auch gut so.