Radio
jonathan-velasquez (unsplash)
Radio
Die Pädagogin will jedem die Möglichkeit geben, studieren zu können

Lehrerin: "Ich gebe nur noch gute Noten!"

​Braucht man in der Schule gute Noten um später im Job erfolgreich zu sein? Nein, das natürlich nicht. Trotzdem können sie den Weg dorthin um einiges erleichtern. Das Problem dabei: Noten hängen manchmal sehr vom Lehrer ab, können Kinder frustrieren oder sie sogar am Lernen hindern. Deswegen vergibt eine Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen nur noch gute Noten.

Lehrerin gesteht

In der Schule eine Eins hier, eine Zwei da und im schlechtesten Fall eine Zwei Minus, das klingt für viele Kinder und Jugendliche sicherlich schön. Trotzdem haben nicht alle diese Noten - es sei denn sie gehen in die Klasse einer Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen. Die hat nämlich gegenüber SPIEGEL Online erklärt, dass sie ihren Schülerinnen und Schülern nur noch gute Noten gibt. Der Grund: Sie will ihnen nicht die Zukunft verbauen und den Notendruck nehmen.

Pädagogin bleibt anonym

An welcher Schule die Frau unterrichtet und wie sie heißt, wird nicht genannt. Gegenüber SPIEGEL Online sagt sie aber:

Ist es gerecht, wenn Schülerinnen und Schüler aufgrund meiner Note nicht studieren können oder nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden?

Außerdem ist die Frau der Meinung, Noten seien nicht immer gerecht und würden verantwortungsbewusste Leistungen oft nicht wiedergeben. Die Pädagogin sagt sogar:

Der Notendruck macht vielen Schülern Angst, er frustriert und manipuliert sie, behindert häufig das Lernen.

Ereignis war ausschlaggebend

Bei dieser Aussage beruft sie sich auf Erfahrungen aus der Schule sowie ein ganz besonderes Ereignis. Im Jahr 2016 hatte die Frau einen Schüler, der bereits einmal durch das Abitur gefallen war und unter sehr großem Druck stand. So sagte dieser laut der Lehrerin:

Wenn ich es jetzt wieder nicht schaffe, werden meine Eltern das nicht verkraften, sie werden mich nicht mehr akzeptieren und rauswerfen. Ich hab Angst, dass ich in ein Loch falle und nicht rauskomme, dass ich kriminell werde...

Schüler hätte das Abitur sonst nicht geschafft

Im Artikel heißt es, der Junge floh mit seinen Eltern und vier Geschwistern vor zehn Jahren aus einem Kriegsgebiet nach Deutschland. Da der Vater arbeitsunfähig war unterstützte er seine Familie indem er einen Nebenjob annahm. In seinem Kulturkreis gelte es als fast undenkbar, das Abitur nicht zu schaffen. Da der Druck zu groß war, vermasselte er einige Prüfungen. In anderen Fächern allerdings strengte er sich an, stand in allen Fächern zwischen der einer Eins und einer Drei. Einzig in einem Nebenfach hatte er eine Fünf. Und: In einem Prüfungsfach eine Vier. Die hätte bedeutet, dass er knapp am Abitur scheitern würde – ungerecht, so die Lehrerin.

Neues System

Sie hatte das Gefühl, durch das Geben von Noten ihrer eigentlichen Aufgabe – die Schüler beim Lernen zu unterstützen – nicht mehr ausreichend nachzukommen. Da sie allerdings Noten geben musste, überlegte sie sich ihre eigene Strategie: So vergibt sie nur noch gute Noten. Denn dann hat schließlich jeder die Möglichkeit, zu studieren. Außerdem  berät die Pädagogin ihre Schüler persönlich und klärt sie über die Anforderungen eines Studiums auf.  Und: Sie findet alternative Wege, um die Schüler für Unterrichtsthemen zu begeistern, das funktioniert, so die Lehrerin:

Ich kann mich nun endlich darauf konzentrieren, sinnstiftende Fachinhalte interessant zu vermitteln, weil ich nicht mehr darüber nachdenken muss, ob genug fair überprüfbarer Lernstoff darunter ist.

Wie sie selbst sagt, sind die Schüler nun auch motivierter. Sie können ihr Lernen nun besser selbst steuern und verantworten.

Abschließend geht sie noch einmal auf ihren Schülern, der das Abitur fast nicht schaffte, ein. Erfreulicher Weise konnte sie ihm zum bestandener Hochschulreife gratulieren. Sie hatte wiederholt mit ihrem Kollegen gesprochen, der für die letzte Note verantwortlich war. Am Ende betont sie dann noch einmal:
 „Ich versuche jederzeit, meine Aufgaben als Lehrer nach bestem Können, Wissen und Gewissen gerecht zu erfüllen."