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Ein Kommentar von Stefan Schreier

Game Of Thrones: Das Ende einer Ära (Kritik)

Dieses Phänomen zieht sich durch mehrere Generationen. Jugendliche finden es faszinierend, junge Erwachsene sind damit aufgewachsen und die Älteren unter uns tauchen gerne in die Fantasywelt von Game Of Thrones ein, um dem Alltag ein Stück weit zu entfliehen, um dann aber trotzdem Parallelen zwischen den intelligent gezeichneten Charakteren der Serie und realen Bekanntschaften, Verwandtschaften und Feindschaften zu ziehen. Das alles und viel mehr ist Game Of Thrones, das Lied von Eis und Feuer vom Autor George R. R Martin. Ein popkulturelles Erdbeben, dass nun seit acht Jahren andauert und mit der 8. Staffel von "GoT" nun ein Ende findet. Ich möchte dir in diesem Artikel erklären, was für mich die Faszination dieser Serie ausgemacht hat und warum sie mich und Millionen von Fans am Ende doch auf der ganzen Linie enttäuscht hat.

Spoiler-Alarm!

Wenn du Game Of Thrones und die 8. Staffel samt der 6. Folge noch nicht gesehen hast, solltest du hier unbedingt aufhören zu lesen. Es herrscht akute Spoilergefahr. 

Wie alles begann

Ich für meinen Teil habe erst sehr spät angefangen, diese Serie zu verfolgen. Ich hatte schon von dem Hype, den die Serie ausgelöst hat, gehört. Dennoch war mein Interesse noch nicht groß genug, damit anzufangen. Als die 5. Staffel ausgestrahlt wurde, war es schließlich so weit. Ich habe die ersten zwei Folgen der ersten Staffel gesehen und war direkt gefesselt. Innerhalb kürzester Zeit habe ich die Serie "weggebinged", nur um am Ende der Staffel 5 dann ein Jahr auf die sechste Staffel und die Widerauferstehung von Jon Snow warten zu müssen. Toll! Aber ich war infiziert. Nicht nur die mittelalterliche Szenerie hatte es mir angetan, sondern vor allem auch die Geschichte und die interessant gezeichneten Charaktere der Häuser Stark, Lannister, Targaryen & Co., die nicht hätten besser gecastet werden können. George R. R. Martin, der Autor der Buchvorlage, hat definitiv sein Lebenswerk abgeliefert und die Showrunner der Serie, David Benihoff und D.B. Weiss, wurden gefeierte Stars in der TV-Landschaft.

Der Anfang vom Ende

Wie bei den meisten Fortsetzungen von Filmen und Serien kam es doch dann, wie es kommen musste. Game of Thrones nahm an Qualität ab. Das hat meiner Meinung nach einen guten Grund. Die Serie hat mit der 5-6. Saffel die Buchvorlage überholt. Die interessanten Dialoge, Wendungen und Charakterentwicklungen, die sich George R. R. Martin bis dahin innerhalb seiner Bücher ausgedacht hat, wurden jetzt von den Drehbuchautoren und Showrunnern weitergesponnen. Zwar hatte Martin das Ende schon längst skizziert, doch der Weg dort hin hat sich dann geteilt. Während wir weiterhin auf die Fortsetzung der Buchreihe warten, sind wir mit der Serie jetzt am Ende der Geschichte von Game Of Thrones angelangt. Und auf den letzten Metern, speziell mit weiten Teilen der 7. Staffel und besonders der letzten 8. Staffel, haben sich die Verantwortlichen nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Die Geschichte wurde vorhersehbar, die Charaktere eindimensional, die Dialoge flach - die Serie, die sich mit ihrem Geschick und ihrer Detailverliebtheit jahrelang von dem Rest der Serien- und Filmlandschaft abgehoben hatte, wurde schlichtweg nur noch eines: Hollywood.

Die 8. Staffel - eine einzige Katastrophe

Zwei Jahre mussten Fans auf der ganzen Welt eine Zwangspause ertragen, da die Dreharbeiten zur letzten und finalen Staffel von Game Of Thrones aufwändiger waren und somit länger andauerten. Nach (zum Glück) nichtssagenden aber vielversprechenden Trailern stieg die Vorfreude ins Unermessliche - und mit ihr auch die Erwartungen.

Die ersten beiden Folgen gefielen mir außerordentlich gut. Viele Dialoge, interessante Charakterentwicklingen, die langsam auch auf ihr Ende zusteuerten, fesselten mich ebenso, wie die Ruhe vor dem Sturm. Wo Regisseur David Natter in den ersten beiden Folgen noch die Fäden zog, sollte der Brite Miguel Sapochnik mit der 3. Folge dann das zeigen, worauf Fans seit acht Jahren warteten. Die alles entscheidende Schlacht um das Ende der Welt gegen den Nachtkönig. Armeen, die in ihr Verderben galoppierten, Zombie-Horden, die Winterfell überrannten, Horrorfilm-Szenen in der Bibliothek, fantastisch cineastische CGI-Szenen mit Drachen am Nachthimmel. Diese Folge war an Bombast kaum zu überbieten. Anders - und besser - hätte das wahrscheinlich gar nicht inszeniert werden können. Aber es war eben auch sehr dunkel ... Arya Stark hat dann aber schließlich doch noch den Tag gerettet, stach in bester Deus-Ex-Machina-Manier den Nachtkönig ab und leitete dann doch noch die Morgendämmerung ein. Von der Story her "okay" aber doch weit unter den Erwartungen.

Folge vier sollte dann ebenfalls in die Geschichte eingehen - als bis dahin schlechteste Episode von Game Of Thrones aller Zeiten. Was mit düsterer Stimmung und Trauerbewältigung anfing, driftete dann schnell in absolute Unlogik ab. Auf dem Papier las sich das sicherlich alles gut und schön, doch wie es dargestellt und inszeniert wurde, war für viele Fans der Serie ein Schlag ins Gesicht. Diese Folge war einfach schlecht geschrieben. Das Schreiben von Geschichten und Drehbüchern ist Handwerk und folgt an vielen Stellen gewissen Gesetzmäßigkeiten. Mit diesen kann man durchaus brechen und somit den Film oder die Serienepisode zu einem Meisterwerk machen, doch geschafft haben das Benihoff und Weiss zu keinem Zeitpunkt. Den Showrunnern ging kurz vor Ende dieses Epos die Luft aus. Es war wie Borussia Dortmund in der letzten Bundesliga-Saison. Stark angefangen, einen astronomischen Vorsprung herausgespielt, um dann am Ende kurz vor knapp zu versagen - denn sie hätten ja Meister werden können. So sehe ich das auch mit Game Of Thrones. Es hätte die perfekte Serie werden können - und als die Erwartungen und Ambitionen auf ihrem Höhepunkt waren, ging es mit der Serie bergab.

Die 5. Folge der 8. Staffel sollte alles dann noch einmal toppen - im negativen Sinne. Wieder waren die Erwartungen hoch, denn die Hoffnung, dass die Macher das Ruder zum Finale der Serie noch einmal rumreißen, war noch nicht ganz aufgegeben. Doch in keiner anderen Folge wurde klar, dass einfach alles für "Game Of Thrones"-Verhältnisse viel zu schnell ging. Da die Serie in zwei Folgen ihr Finale hat, musste Daenerys Targaryen noch schnell zum Bösewicht etabliert werden, nachdem sie siebeneinhalb Staffeln zur starken Frau, Eroberin der sieben Königslande, "Sprengerin der Ketten" und (vermeintlich) rechtmäßigen Erbin des eisernen Throns aufgebaut wurde. Eltern haben ihre Kinder tatsächlich nach ihr benannt. Hätten sie gewusst, dass sie in der fünften Folge einen Völkermord begeht, hätten sie es sich sicherlich noch mal anders überlegt. Klar, sie hat ihren besten Freund und Berater im Krieg gegen den Nachtkönig verloren, dann wurde ihr Drachen von den ach so gefährlichen Ballisten vom Himmel geholt, ihre beste Freundin enthauptet und Jon wendet sich nach ihren martialischen Plänen dann auch noch von ihr ab. Und dann noch die Glocken. Diese Glocken! Da läuten diese auch noch, was die Kapitulation der zu erobernden Hauptstadt Königsmund bedeutet. Da kann man schon mal verrückt werden. Nicht. In guten Zeiten der Serie hätte diese Charakterentwicklungen mehrere Folgen oder gar Staffeln gedauert, um nachvollziehbar und nicht so unverhältnismäßig zu wirken.

Klar, die 5. Folge der 8. Staffel ist perfekt inszeniert - fast jedes Bild könnte man sich einrahmen und an die Wand hängen, was jeweils ausgesehen hätte, wie ein Kunstwerk. Das lag nicht zuletzt an der Arbeit des Regisseurs Miguel Sapochnik und dem deutschen Kameramann Fabian Wagner. Aber aus einem schlechten Drehbuch kann man am Ende trotzdem keine gute Folge produzieren.

Also, fassen wir zur letzten Folge noch einmal zusammen: Daenerys ist die Böse, hat die Hauptstadt Königsmund mit samt hunderttausenden Unschuldigen abgefackelt. Die bisherige Antagonistin, Cersey, ist tot, zusammen mit ihrem Bruder-Geliebten und Fan-Liebling Jamie. Jon Snow, der (vermeintliche) Held der Geschichte, ist ein Schatten seiner selbst und hat eh keine anderen Dialogzeilen als "Ich liebe dich" und "Du bist meine Königin". Tyrion hat versagt. Grauer Wurm hat eh nichts mehr zu verlieren, Clegane-Bowl war ganz nett und der Rest hat nichts mehr zu melden oder ist tot. Und Arya? Die tötet entweder Daenerys und rettet wieder den Tag oder kommt beim Versuch dabei um. Aber genug der Spekulationen - jetzt wartet nur noch die letzte Folge, Staffel 8, Folge 6 - und danach wird abgerechnet.

Staffel 8 Folge 6: Die allerletzte Folge Game Of Thrones

Der Beginn ist düster, postapokalyptisch, die Atmosphäre angespannt. Die Bilder sind gigantisch und perfekt inszeniert. Siegesfeier von Daenerys: die Kameraeinstellung mit den Drachenflügeln von Drogon direkt hinter ihr ist sensationell gut. Ihre Rede: typisch tyrannisch. Sie droht der ganzen bekannten Welt mit "Befreiung". Alles wirkt einheitlich und geordnet. Für den Zuschauer wird klar: hier entsteht gerade ein Regime, an dessen Spitze eine Irre steht. Tyrion, verkörpert von Peter Dinklage, spielt noch einmal groß auf und beweist, warum er ein so guter und erfolgreicher Schauspieler ist. Aber Game Of Thrones wurde nun mal nicht nur durch die Monologe erfolgreich, denn Jon Snow (Kit Harrington) bleibt im Gespräch mit ihm wieder blass, schwach und langweilig. Schade. Und warum schneit das eigentlich plötzlich so heftig über Königsmund? Es wird mir doch keiner erzählen wollen, dass das nur Asche ist?

Eine epische Kameraeinstellung jagd die nächste - Schauwerte hatte die Serie schon immer und hier versucht sie, sich wieder einmal selbst zu übertreffen. Aber epische Szenen alleine reichen eben noch nicht. Und Daenerys? Die klingt noch mehr nach einer irren Führerin und Psychopathin im Gespräch mit Jon. Es muss jetzt DER Twist her. Und er kam auch - Jon bringt sie um und befreit die Welt von einer Tyrannin, wie sie es eigentlich mit anderen vorhatte. Jon weint. Drogon weint. Und zerstört den eisernen Thron, indem er ihn mit Drachenfeuer einschmilzt. Vorhersehbar, aber symbolisch und toll inszeniert. Drogon fliegt mit der Leiche seiner Mutter davon. Es sieht alles gut aus, die gewaltigen Bilder sind absolute Weltklasse und brennen sich, trotz der dünnen Story, in meinen GoT-enttäuschten Kopf.

Wochen später: die Sonne scheint, als wäre nichts gewesen. Es gibt ein Tribunal mit den verbliebenen Hauptfiguren.

Plötzlich Demokratie

In diesem Tribunal wird diskutiert, wer den Königinnenmörder Jon Snow verurteilen soll, jetzt wo es keinen König oder Königin mehr gibt. In hölzernen Dialogen entsteht plötzlich die Demokratie in Westeros. So quasi die Idee von Sam. Er wird ausgelacht. Ernsthaft? Tyrion will auch nicht. Er schlägt Bran vor. Ernsthaft? Herrscher werden ab jetzt nicht mehr geboren, sondern gewählt. Herzlichen Glückwunsch König Brandon der Gebrochene. Tyrion wird bestraft, in dem er das wird, was er auf keinen Fall mehr will: die Hand. Und Jon Snow? Er muss zur Nachtwache und ist gebrochen, weil er Daenerys getötet hat. Ich verstehe die Welt (von Eis und Feuer) nicht mehr.

Jon sagt:

Es fühlt sich nicht richtig an.

Besser hätte man das Ende dieser Ära nicht beschreiben können. Er geht zur Mauer, trifft auf seinen Freund Tormund und seinen treuen Schattenwolf Ghost. Es bricht mir immernoch das Herz, dass ihm die Untoten in der Schlacht um Winterfell ein Ohr abgebissen haben. Immerhin gibt es zwischen den beiden jetzt die Knuddelszene, nachdem er ihn in Staffel 8 Folge 4 noch beinahe ignoriert hat. Jon zieht mit den Wildlingen hinter die Mauer. Der kleine Rat in Königsmund diskutiert derweil, ob Bordelle oder Häfen als erstes aufgebaut werden sollen. Ich ärgere mich. Eine Serie, die sich lange Zeit immer selbst sehr ernst genommen hat, macht sich komplett lächerlich.

Es klingt wie eine absurde Fan-Theorie nach vier oder mehr Bier in der Kneipe am GoT-Stammtisch. Vielleicht war George R. R. Martin tatsächlich betrunken, sollte er den Showrunnern dieses Ende skizziert haben. Ich bin enttäuscht. Aber es sah gut aus ... und das ist eben Hollywood.