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Wie gehe ich als Elternteil mit der Corona-Krise um? Familientherapeut Frank Heinicke im Interview

So erklärst du deinem Kind die Corona-Krise

Die Corona-Krise ist eine schwierige Zeit für die ganze Familie. Eltern haben sicherlich viele Fragen im Umgang mit dieser schweren Zeit, Familientherapeut Frank Heinicke beantwortet hier die wichtigsten Fragen im Interview.

Wie kann man seinen kleinen Kindern eine Pandemie erklären – und warum sie ihre Freunde aktuell nicht sehen dürfen?

Die Lebenswelt von einem Fünfjährigen ist, dass er seine Kumpel aus der Kita nicht treffen darf, dass er die Erzieherin nicht trifft, dass die Oma zu Ostern nicht zu Besuch kommt. Und dafür brauchen Kinder eine Erklärung. Und bei dieser Erklärung kann Corona vorkommen. Über Krankheiten weiß ein Fünfjähriger auch schon Bescheid, der hat auch schon einmal einen Schnupfen gehabt. Dann kann man eben erklären, dass dies eine andere Art von Krankheit ist, die auch gefährlich sein kann.

Was kann man als Eltern gegen die Angst seiner Kinder tun?
Sicherlich die größte Angst von Kindern wird sein: Was, wenn ihr das kriegt? Was passiert denn dann mit mir? Und die Antworten, auf die man da als Erwachsener gekommen ist, die kann man dann auch – dem Interesse des Kindes folgend – seinem Kind weitersagen. Man kann zum Beispiel sagen: „Ich passe ganz gut auf mich auf, aber wenn ich tatsächlich krank werde, hat man in den meisten Fällen nur einen Schnupfen und Husten und ist nach einer Woche wieder fit. Und wenn es ganz blöd läuft, kommt die Tante und passt auf dich auf, bis ich wieder gesund bin.“

Dürfen Kinder mitbekommen, wenn die Eltern auch Angst in dieser Situation haben?
Es ist in Ordnung, dass Eltern Angst haben und dass die Kinder das mitbekommen. Bei Kleinkindern kann man vielleicht vermeiden, bei Anrufen mit der Oma zu fragen: „Geht’s dir auch wirklich gut?“, wenn die Kinder dabei sind und so diese Intensität der Angst den Kindern zu zeigen. Aber wenn die Eltern Angst haben, ist es wichtig, dass sie mit den Kindern darüber sprechen - auch darüber, was sie tun, um mit der Angst gut umzugehen. Zum Beispiel: „Wir gehen nur noch einmal die Woche einkaufen“ oder „Wir gehen die Oma jetzt nicht besuchen. Sie fehlt uns sehr, aber wir wollen, dass sie gesund bleibt“.

Was können Eltern gegen ihre Angst tun?
Wenn die Kinder im Bett liegen, ist es auch für Eltern ganz wichtig, für sich selbst ein Stück weit zu sorgen. Wer den Partner im Haus hat, da ist der eine wichtige Ressource. Wenn man alleinerziehend ist, sind Freunde und Freundinnen ganz wichtig - oder die Eltern oder andere Erwachsene in seinem Umfeld. Die Eltern müssen wirklich schauen, dass sie sich austauschen können über das, was sie beschäftigt, und das nicht mit ihren Kindern tun. Wenn sie mit den Kindern reden, sollten sie ganz bewusst und aufmerksam auf die Kinder eingehen und nicht mit ihren eigenen Ängsten beschäftigt sein. Die sollten woanders abgearbeitet werden.

Ab wann kann man mit seinen Kindern komplett offen über die Schwere der Lage sprechen?
So ab zwölf oder 13 Jahren – da sind Kinder und Jugendliche kognitiv und emotional so weit, dass sie die reale Gefahr auch medial durchaus erkennen. Mit ihnen würde ich ganz intensiv den Austausch suchen, weil sie sonst unter Umständen durch die Medien auf ganz abstruse Theorien kommen können. Selbst, wenn man seriöse Medien liest und man etwa Berichte aus Norditalien liest, kann man schon Angst bekommen, auch als Erwachsener. Und da ist es wichtig, dass die Kinder Ansprechpartner haben, mit denen sie über diese Ängste reden können, wenn sie das wollen. In der Regel haben Eltern aber auch ein ganz gutes Gefühl dafür, wie es ihren Kindern geht.

Wie geht es Jugendlichen in dieser Zeit?
Schwierig wird es bei den Jugendlichen, die sowieso schlechter eingebunden sind in Gleichaltrigen-Gruppen. Für einen 16- oder 17jährigen sind die Gleichaltrigen viel wichtigere Ansprechpartner als die Eltern. Und wenn sie diese nicht automatisch durch die Schule oder einen Sportverein regelmäßig sehen können, und aber den Kontakt auch medial nicht bekommen, dann werden sie tatsächlich einsam.

Wie kann man ein bisschen Normalität und Struktur in den Corona-Alltag mit seinen Kindern bringen?
Indem man mit den Kindern einen Wochenplan macht. Zum Beispiel: „Da machen wir was Besonderes, zum Beispiel einen Film zusammen schauen“, was man vielleicht normalerweise nicht unter der Woche machen würde. Oder: „Wir kochen das Lieblingsessen an diesem Tag; wir machen eine riesige Pizza-Aktion und stellen die Pizza dann auch der Nachbarin noch vor die Tür, dann kann sie auch was davon essen“. Oder man telefoniert per Whatsapp und macht zum Beispiel einen Spieleabend mit den Nachbarn – auch wenn sie nicht mit am Tisch sitzen.

Welche Beschäftigungen eignen sich noch, um die Kinder zuhause zu beschäftigen?
Wenn es einen Garten gibt, kann man anfangen, die Tiere einzusammeln und zu klassifizieren. Je nachdem, wie alt die Kinder sind, kann man das auch richtig biologisch machen – oder einfach nur die Beine zählen und die Tiere aufmalen lassen. Man kann ein Mini-Terrarium anlegen und ein paar Spinnen reinsetzen, oder anfangen, etwas auszusähen und zuschauen, wie es wächst.Ostern droht für viele Kinder dieses Jahr ziemlich öde zu werden – in jedem Fall sehr anders als sonst.

Wie kann man das Osterfest für die Kleinen doch noch schön gestalten?
Das Ostereiersuchen – wie kann das gehen, wenn es keinen Garten gibt, wenn man nicht den Park kann? Dann versteckt man die Ostereier einfach in der Wohnung und nimmt die Großeltern beim Suchen mit, indem man mit dem Handy filmt, wie die Kinder die Geschenke suchen. Oder man trifft sich mit Meeting-Softwares und feiert einen Ostergottesdienst mit der Familie.Der klassische Osterausflug fällt dieses Jahr ja auch weg.

Gibt es Alternativen?
Was man machen kann, sind virtuelle Ausflüge. Früher hätte man sich auf das Sofa gesetzt und zusammen ein Fotoalbum angeschaut - heute kann man das natürlich digital machen. Man spielt zum Beispiel die Bilder von den letzten Osterferien auf der großen Leinwand ab, wenn man einen Beamer hat, und überlegt: wie war das damals? Wo würden wir jetzt hingegen, wenn wir könnten? Man geht quasi virtuell in die Ferien mit den Kindern.