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Woher die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern kommen

Was ist die Gender Pay Gap?

Trotz der immer populäreren Debatte über Chancengleichheit und Fairness besteht laut einer Berechnung der bpb immer noch ein großer Unterschied im Verdienst von berufstätigen Männern und Frauen. Um darauf hinzuweisen ist heute, am 10. März, weltweit der Tag der sogenannten "Gender Pay Gap".

Um darauf hinzuweisen, wie stark der Unterschied zwischen den Einkünften aufgrund des Geschlechts ist, wird am 10. März, an dem 18 Prozent des Jahres ins Land gezogen sind, der "Equal Pay Day" veranstaltet. Diese 18 Prozent entsprechen dem Lohnunterschied zwischen Mann und Frau und zeigen auf, dass bei Orientierung am Gehalt des Mannes Frauen also faktisch bis zu diesem Tag umsonst, also unbezahlt gearbeitet haben. 

Unsere noch-Kanzlerin Angela Merkel hat sich vor einigen Tagen zu diesem Thema erneut geäußert

Frauen müssen endlich so viel verdienen können wie Männer

Das hat sie gekonnt formuliert, denn auf das Können kommt es letztendlich an.

Wie setzt sich der Gender Pay Gap zusammen?

Das statistische Bundesamt veröffentlicht jährlich zwei Zahlen zu den Lohnunterschieden zwischen Männern und Frauen.

Unbereinigter Unterschied

Dabei gibt es zum einen die unbereinigte Gender Pay Gap: Momentan liegt die Zahl bei 18 Prozent und stellt dar, wie viel mehr der Mann im Vergleich zur Frau im Durchschnitt verdient. Dabei wurden alle Branchen und Arbeitszeitmodelle berücksichtigt sowie alle Menschen, die arbeitstätig sind.

Der offensichtlichste Grund dafür ist, dass Frauen und Männer sich unterschiedlich in der Arbeitswelt verhalten. Denn: Frauen nehmen sich mehr Zeit für die Familie. Und diese Zeit hat ihren Preis – im Alter führt sie zu Armut und einer Abhängigkeit von Anderen und staatlichen Subventionen.

Der weniger offensichtliche Grund sind die gesellschaftlichen Zwänge: An Hetero-Paare mit und ohne Kinder, werden immer noch bestimmte Erwartungen gestellt. 

Bereinigter Unterschied

Diese ganzen Faktoren berücksichtigt teilweise die bereinigte Gender Pay Gap: Dabei wird das Verhalten von Männern und Frauen mit berücksichtigt. Faktoren sind hierbei beispielsweise die Branche, in der Frauen und Männer typischerweise arbeiten. So ist ein Pflegeberuf um einiges schlechter bezahlt als in der Baubranche. Aufgrund der fehlenden Kinderbetreuungs- und Pflegeplätze arbeiten Frauen, da sie in den meisten Fällen die betreuende Funktion übernehmen, häufiger in Teilzeit, oder sogar nur auf Mini-Job Basis. Ebenfalls pausieren sie häufiger aufgrund von Krankheiten in der Familie, oder um das Kind zu betreuen, oder auch den Haushalt zu erledigen. Dies zieht nach sich, dass der Wiedereinstieg erschwert und das Gehalt um einiges niedriger ist als vor der Unterbrechung.

Diese Faktoren hemmen die Aufstiegschancen, halten die Erwerbszeiten niedrig und führen zu geringerem Lohn und somit auch einer erschreckend niedrigen Rente. Einer Frau wird häufig vor Einstieg eine niedrigere Position angeboten als einem Mann, als auch ein geringerer Lohn bezahlt, da es sich für das Unternehmen nicht lohnt, in jemanden zu investieren, der möglicherweise austritt. Dies nennt man statistische Diskriminierung. Du siehst – es wird viel bei der „freien“ Berufsorientierung vorweg genommen.

Berücksichtigt man all diese Faktoren bleibt immer noch ein Lohnunterschied von 6 Prozent übrig – bei einem Jahreseinkommen von 20.000 Euro sind das monatliche 100 Euro - einfach nur deshalb, weil die Frau eine Frau ist. 

Gründe für die Unterschiede

Es sind nicht die Ausbildungsqualifikationen, die zu den Unterschieden führen. Der Anteil an Frauen mit Hochschulabschluss ist größer als der Männer, ihr Qualifikationsniveau meist höher – vor allen Dingen deshalb, da sie sich absichern müssen, falls sie Kinder bekommen und gleichzeitig eine sichere Zukunft haben möchten. "Erst mal in Bildung investieren, dann Kinder bekommen" ist dementsprechend das Motto. 

Woher kommen dann die 6 Prozent?

Vielmehr ist es der einfache Fakt, dass von einem bestimmten Geschlecht ein bestimmtes Verhalten und eine bestimmte Einstellung erwartet wird. Es wird davon ausgegangen, dass für eine Frau ihr Ziel nicht die Erfüllung im Beruf, sondern das Kinderbekommen und Aufziehen ist. Es wird so ein Durchschnitt künstlich erzeugt, der in der heutigen Gesellschaft möglicherweise nicht mehr der Realität entspricht.

Die Arbeitnehmer*innen soll laut einem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission in Zukunft darüber Informationen erhalten, weshalb ihr Gehalt welches Niveau hat. So kann zumindest von der Unternehmensseite keine statistische Diskriminierung mehr stattfinden und die Arbeitnehmerin kann dagegen vorgehen.

Bei der Betrachtung des Ausmaßes der Unterschiede im Deutschlandvergleich ist zu sehen, dass in Ostdeutschland die Zahl der Gender Pay Gap deutlich niedriger, bei 7 Prozent liegt. Dies liegt unter Anderem an den umfangreichen Kinderbetreuungsangeboten und der allgemeinen Akzeptanz einer arbeitenden Mutter durch die nachhallenden Einflüsse des sozialistischen Gedankens aus der ehemaligen DDR.

Warum sollen Frauen vorrangig Mütter sein?

Dafür gibt es viele Gründe. Unsere Gesellschaft ist immer noch geprägt von den christlichen bzw. religiösen Werten und Gesellschaftsvorstellungen. Das Bild der weichen, umsorgenden Mutter und des tüchtigen, unabhängigen Vaters als Ernährer, ist tief in uns als Gesellschaft eingebrannt. Dem Mann wird mehr Risikobereitschaft, opportunistisches Verhalten, Selbstbewusstsein in Vertragsverhandlungen usw. zugewiesen – auch „implicit bias“ genannt. Nur schwer kann sich ein gesellschaftlicher Wandel zu freieren Werten und Rollen vollziehen.

Zunächst ist die Frau als selbständig Erwerbende ein Begriff, der dem traditionellen, von dem durch den Mann zu ernährendem Weib, vollständig widerspricht. Die Entlohnung ihrer Arbeit gilt daher nur für einen Zuschuss zum Lebensunterhalt, nicht für seine vollständigen Kosten.

Frauenlohn ist Zuverdienst

, so lautet die Logik. Bürgerliche Frauen seien durch ihre Familien oder Ehemänner abgesichert. Doch für all die Witwen, die Alleinverdienerinnen und für all die Ehefrauen mit arbeitslosen oder verschollenen Ehemännern ist dieser „Zuverdienst“ das eigentliche Haushaltseinkommen.

Sozialisierung

Während des Heranwachsens junger Kinder wird von der Gesellschaft durch Erziehungsmethoden, Kinderbücher, Spielzeug und in vielen anderen Bereichen Kindern ihre Rolle bereits auferlegt. Jungs im Kleinkindalter bekommen Bauklötze, Mädchen, die doch selbst noch Babys sind, eine Puppe, die sie wiederum pflegen sollen. In der Jugendliteratur geht es in „Mädchen“-Büchern darum, wie man den Jungen gewinnen kann, in „Jungs“-Büchern geht es um Fußball und Schlachten. Das beste Beispiel dafür sind die damaligen Filme „Wilde Hühner“ und „Wilde Kerle“, die gleichzeitig gesendet wurden und das jeweilige Geschlecht abholen sollten.
So wird uns schon von Anfang an eine Erwartungshaltung an die bestimmten Geschlechter anerzogen und wir selbst und die anderen, sowohl im privaten als auch auf beruflicher Ebene in Unternehmen und der Politik, können sich nur schwer davon lösen.

Corona hits Egalitarismus

In den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften wird viel über die Geschlechterungleichheit und deren Ursachen geforscht.  Nach der „full wage“-Theorie bleibt dabei die Person mit dem geringeren Gehalt zu Hause, da es sich nicht lohnen würde, arbeiten zu gehen. Das ist, aufgrund der Geschlechterdiskriminierung, den Erwartungen von und an die Frau und somit dem Gender Pay Gap in den meisten Fällen die Frau.

Eine Krise wie die Corona-Pandemie trifft daher die Frauen mit Kindern, oder pflegebedürftigen Familienangehörigen am schwersten. Merkel mahnt:

Wir müssen darauf achten, dass die Pandemie nicht dazu führt, dass wir in manch schon überwunden geglaubtes Rollenmuster zurückfallen

in einem Podcast am Samstag. Der Spagat zwischen Homeschooling, Kinderbetreuung, Haushalt und Beruf wird in den meisten Haushalten von der Frau gestemmt. Eine BA-Statistik zeigt, dass die Zahl der arbeitslosen Frauen im Verhältnis zum Mann über die Zeit der Krise doppelt so stark gestiegen ist

Warum sollten wir uns für Gleichheit einsetzen?

Wenn davon ausgegangen wird, dass Frauen weniger arbeiten können, da sie die Kinderbetreuung übernehmen müssen, muss hier Hilfe durch Betreuungsplätze geleistet werden. Weiterhin muss es eine fairere Arbeitsteilung in Partnerschaften geben und der Wiedereinstieg in das Berufslebens erleichtert und Vorurteile aufgrund des Geschlechts beim Arbeitseinstieg untersagt werden.
Die Gesellschaft darf nicht Mütter, die gleichzeitig Arbeiten, um ihre Zukunft abzusichern, dafür verurteilen. Das Bild der Rabenmutter muss abgeschafft werden

Gender Gap wird sonst zur Pension Gap

Schließlich ist der Ausgleich des Lohnunterschieds auch im Sinne des Staates und der steuerzahlenden Bevölkerung, also unter Anderem dir, Menschen von Altersarmut zu schützen. Ansonsten wird die Frau zu einem weiteren Menschen, der durch seine Bedürftigkeit dazu beiträgt, dass die Steuerbeiträge steigen.
Wird das Elternsein für junge Menschen durch die momentane Lage auf Arbeits- und Betreuungsmarkt immer weniger attraktiv, müssen wir uns fragen, wer später unsere Rente finanzieren soll.

Es muss also dir bei der Geschlechtergleichstellung nicht mal um Moral, Empathie, oder Würde gehen. Es ist für jeden lohnenswert, wenn sich jeder Menschen selbst helfen kann. Ebenfalls verhindern wir damit die gesellschaftliche Alterung – und somit die geringere Rentenauszahlung Aller

Hilfe durch: Ausbau der Kinderbetreuung

Merkel untermauert:

Nur wer die eigenen Kinder gut und sicher versorgt weiß, kann sich voll auf seine beruflichen Aufgaben konzentrieren.

Würde man sich an den ostdeutschen Kinderbetreuungsmöglichkeiten orientieren, wäre ein Schritt hin zu mehr Gleichheit erreicht. Dafür muss zum einen der Beruf des Betreuenden attraktiver und besser bezahlt werden – denn er ist offensichtlich systemrelevant. Und es müssen mehr Betreuungsstätten aufgebaut werden – umso auch die Zukunft der Gesellschaft zu sichern.

Achtung der schwächeren Gesellschaftsmitglieder

Die Lohngleichstellung darf dabei nicht auf den Schultern weniger gut gestellter Frauen und Männer durchgeführt werden. Wenn eine Frau mehr arbeiten kann und ihre Kinderbetreuung auf eine schlecht bezahlte Nanny abwälzt, ist der Welt leider in keinem Stück zu mehr Gleichheit und Fairness verholfen. Die Aufmerksamkeit der Lohnungleichheit darf nicht nur in den höheren Sektoren und besser gestellten Gesellschafsschichten ein Thema sein, sondern muss ebenso den Produktionsstätten, Reinigungsfirmen, Supermarktketten etc. geschenkt werden.
Beim Gespräch über Gleichheit müssen die schwächsten Glieder der Gesellschaft in den Fokus gesetzt werden – denn sie leiden am Meisten unter der finanziellen Abhängigkeit und haben die größten Ängste vor zukünftiger Armut und gesellschaftlicher Ausgrenzung, da sie am kapitalistischen Leistungssystem nicht teilnehmen können.

Förderung des Mitsprache- und Entscheidungsrecht

Janina Salden, Vertreterin des Verbands für Frauen in der Kommunalpolitik fordert ebenfalls:

Es kann nicht sein, dass Frauen unsere Gesellschaften maßgeblich tragen und gleichzeitig nicht gleichberechtigt an wichtigen Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beteiligt sind. Deshalb brauchen wir Parität in allen Bereichen der Gesellschaft.

SPD-Fraktionsvize Katja Mast forderte bis 2030 Parität in der Politik.

Wir brauchen mehr Frauen in allen Parlamenten - vom Gemeinderat bis zum Bundestag. 

Vergleichen wir es damit, dass alte Menschen über die Zukunft der Welt, in der sie selbst nicht mehr leben werden, trotzdem mitentscheiden dürfen. Wenn die Politik die Gesellschaft widerspiegeln soll, muss dort ein größerer Anteil an jungen Menschen und Frauen mitentscheiden und debattieren dürfen.