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Afghanistan – Die aktuelle Situation

​Die Bilder vom Flughafen in Kabul sind schockierend: Menschen versuchen verzweifelt ihr Heimatland zu verlassen. Viele von ihnen schweben in Lebensgefahr. Doch wie konnte es überhaupt zu dieser Situation kommen? Und warum trägt Deutschland laut Kritikern Verantwortung? Wir haben mit Raquel Rempp und Sean McGinley gesprochen, um die Situation besser einschätzen zu können.

Raquel Rempp

war zehn Jahre lang Stadträtin in Schwetzingen und engagiert sich für Geflohene und deren Inklusion hier in Deutschland. Sean McGinley ist der Geschäftsführer des Flüchtlingsrates Baden-Württemberg

Die Vorgeschichte

Zwanzig Jahre lang waren die USA und ihre NATO-Verbündeten, darunter auch Deutschland, in Afghanistan. Nach dem Abzug der Truppen hat die radikalislamistische Terrormiliz der Taliban innerhalb kürzester Zeit die Macht übernommen. Am 15. August erreichten die Truppen der Taliban die Hauptstadt Kabul.

Was genau ist die Taliban und was ist ihr Ziel?

Die Taliban ist eine radikalislamistische militärische Bewegung. Laut eigenen Angaben ist ihr Ziel, die Errichtung eines islamischen Staates in Afghanistan im Rahmen des Scharia-Rechts. Vor allem für Minderheiten, Frauen, Andersdenkende und -gläubige stellt die Herrschaft der Taliban eine große Gefahr dar. Als militärische Bewegung geht die Taliban oftmals mit großer Brutalität vor.

Welche Menschen sind besonders gefährdet?

Verschiedene Personengruppen schweben nach der Machtergreifung der Taliban in akuter Lebensgefahr. Besonders betroffen sind die Personen, die mit den alliierten Streitkräften zusammengearbeitet haben, beispielsweise Übersetzer:innen oder Verwaltungsangestellte sowie deren Familien. Aber auch politisch und gesellschaftlich engagierte Menschen sind akut gefährdet.

Raquel Rempp berichtet von ihren Freunden aus Kabul:

Vor allem die Alleinstehenden Frauen mit Kindern, die haben richtig richtig Horror, [...] müssen alles verstecken, irgendwelche Zeichen oder Beweise, die auf eine moderne Einstellung hinweisen könnten werden zerstört, [...] damit die Taliban, die natürlich alles durchsuchen, nicht auf diese Dinge stoßen.

Wieso ist Deutschland mitverantwortlich für die Situation?

Mit dem Abzug der Truppen wurden die ehemaligen Verbündeten und afghanischen Mitarbeitenden ihrem Schicksal überlassen. Es sei versäumt worden, für Schutzmaßnahmen zu sorgen. Die Situation in Afghanistan wurde völlig falsch eingeschätzt, sagen Kritiker. Derzeit herrscht eine hitzige Debatte, ob der Vormarsch der Taliban vorherzusehen war. Raquel Rempp meint dazu:

Das ist Quatsch! Das war vorauszusehen. Da kann keiner sagen, das haben wir nicht gewusst. Und jetzt: Das ist eine menschliche Katastrophe!

Die USA, die NATO und damit auch Deutschland stünden in der moralischen Pflicht, den fliehenden Menschen zu helfen und ihnen Schutz zu gewähren. 

Wie sieht der Blick in die Zukunft aus?

Sean McGinley bringt die Situation auf den Punkt:

Jetzt kann es leider nur darum gehen, so viele von den am stärksten gefährdeten Leuten wie möglich in Sicherheit zu bringen – solange das überhaupt noch geht.