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Wie gut sind wir in Baden-Württemberg im Krisenfall geschützt?

Katastrophenschutz: Was im Ernstfall passiert und zu beachten ist

Hermann Schröder aus Dossenheim in der Kurpfalz ist Ministerialdirigent im Innenministerium für Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement. Bei ihm laufen in Krisensituationen alle Fäden zusammen. So hat er beispielsweise 2015/2016 die Flüchtlingskrise rund um die Uhr koordiniert. Wie er die aktuelle Lage rund um den Krieg in der Ukraine sieht und wie Deutschland im Fall der Fälle ausgestattet ist, hat er uns im Interview erzählt.

Im Innenministerium gibt es ein Lagezentrum, das täglich sämtliche Ereignisse, Unglücke, Unfälle, Katastrophen im Land registriert, beobachtet und im Krisenfall die Koordination übernimmt. Dann wird das Lagezentrum zum Krisenstab. Der Stab steht vor allem dieser Tage im Austausch mit dem Bund und den anderen Bundesländern, den Regierungspräsidien, Landkreisen bis runter zu den Kommunen. Zuständig ist der Stab dann vor allem bei einer kriegerischen Bedrohungslage, atomaren Gefahren oder wenn ein Strom mit Geflüchteten das Land erreicht, wie damals die Menschen aus Syrien oder jetzt aus der Ukraine.

34 Millionen Jodtabletten

Das Land Baden-Württemberg hat über Hermann Schröder beispielsweise 34 Mio. Jodtabletten gekauft. Diese kommen bei atomaren Gefahren zum Einsatz und sollen die Menschen vor den körperlichen Folgen durch erhöhte radioaktive Strahlung schützen. Das muss kein Atombombe sein, sondern bezieht sich auch auf atomare Zwischenfälle in Kraftwerken. Die Verteilung läuft über die vier Regierungspräsidien. Von dort gehen diese in die 44 Stadt- und Landkreise und weiter in die Kommunen.  Im Fall der Fälle sorgen die Städte und Gemeinden für die Verteilung - zentral und mit Hilfe der Blaulichtorganisationen. 
 Hermann Schröder sagt dazu: "Wir haben in Baden-Württemberg ganz aktuell 34 Millionen Jodtabletten neu beschafft. Diese Jodtabletten sind landesweit verteilt – es reicht für drei Tabletten pro Bürger und Bürgerin. Wir sind in der Lage innerhalb kürzester Zeit alle Jodtabletten zu verteilen."

Jod reichert sich in der Schilddrüse an und wenn man es rechtzeitig einnimmt, dann wird die Schilddrüse mit dem nicht radioaktiven Jod befüllt und es wird kein anderes aufgenommen. "Es macht keinen Sinn, so etwas präventiv zu machen." Nimmt man das Jod zu früh, ist es zu schnell wieder ausgestoßen. "Aber die Bevölkerung kann sich sicher sein, dass sobald irgendwelche Signale kämen, würden wir diese Dinge aktivieren", so Schröder.

Schutzräume

In ganz Deutschland gibt es keine Schutzräume und Bunker mehr. Nicht einmal für Behörden oder Ministerien sind diese Art von Räumlichkeiten vorgesehen. Nach Ende des Kalten Krieges hat man diese Bunker aufgegeben, zugeschüttet oder in entlegenden Waldgebieten der Natur überlassen. Das gleiche gilt für die Warn- und Sirenentechnik.

Hermann Schröder dazu: "1995 gab es, als der Kalte Krieg zu Ende war, eine neue Zivilschutzkonzeption. Man dachte, man hat in Europa den ewigen Frieden. Niemand konnte sich noch vor wenigen Tagen vorstellen, dass wir so nah solche kriegerischen Ereignisse haben. Damals ging man nicht mehr davon aus, dass Deutschland flächenhaft mit chemischen oder gar atomaren Waffen bombardiert werden könnte. Auch alle Sirenen sind abgebaut. Wenn wirklich etwas passieren würde, müsste man Räume aufsuchen, die einen schützen, zum Beispiel Kellerräume. Aber hundertprozentigen Schutz wird es nicht geben."

Stromausfälle durch Cyberattacken

Was tun, wenn durch Cyberattacken auf kritische Infrastruktur beispielsweise der Strom ausfällt? Bei einem derartigen Worst Case Szenario kann auch der Staat nicht viel tun, weshalb es ratsam ist, immer ein paar Vorräte zu Hause zu haben, um die Situation aussitzen zu können. Wichtig dabei ist vor allem Trinkwasser, Batterien für Beleuchtung, Kerzen und nicht verderbliche Lebensmittel.
 

Stromausfälle können auch unabhängig von kriegerischen Handlungen oder Cyberattacken auftreten, beispielsweise bei Großwetterereignissen, wie Stürme oder ein Strom elektromagnetischer Teilchen, der von der Sonne ausgeht. "Wenn der Strom ausfällt, dann sind wir alle relativ hilflos. Dann muss sich zumindest in den ersten Stunden jeder selbst behelfen. Hier gibt es dann auch die Hinweise des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe", so Hermann Schröder.

Wie funktionieren die Warnketten?

Die Flutkatastrophe im Norden von Rheinland-Pfalz und NRW im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass Warnketten funktionieren müssen, die im Fall der Fälle Menschenleben retten können. Der Bedarf ist groß, da Anträge von 36 Mio. Euro vorliegen und das Land Baden-Württemberg vom Bund 11,2 Mio. Euro erhalten hat.

Bei uns im Land wird auf einen Mix gesetzt.

  • Sirenentechnik, mobile WarnApps wie Nina, Katwarn sowie Durchsagen in Radio und Fernsehen. 
  • Sirenen-Warnsignale haben ihre Tücken: nachts im Schlaf hört man sie kaum. Dann müssen die Menschen die Warnsignale auch richtig erkennen und deuten können. 
  • Im Umfeld von Kernkraftwerken, gefährlicher Industrie (BASF) ist die Sirenenwarnung sinnvoll. 
  • Der Vorteil mobiler WarnApps: hier kann über die Gefahr und Verhaltensmaßnahmen informiert werden.
  • Gibt es ein dramatisches Ereignis, gehen Warnungen an Radio und TV, die mit Durchsagen die Bevölkerung informieren - im Zweifel auch während eines WM-Finales 
  • "Wenn es Warnungen gibt, die ganz entscheidend sind, dann werden alle Rundfunkanstalten und alle Fernsehanstalten sofort informiert. Und bei der höchsten Warnstufe sind die Fernsehanstalten verpflichtet, sofort ihr Programm zu unterbrechen und diese Warnung zu setzen", erzählt der Experte.

    Grundsätzlich ist es folgendermaßen

    Der Krisenstab des Landes steht im engen Kontakt mit den Sicherheitsbehörden des Bundes: Die Lage in der Ukraine und ihre Auswirkungen auf Deutschland und Baden-Württemberg wird engmaschig beobachtet. Etwa den Cybersicherheitsbereich, mögliche Auswirkungen auf kritische Infragstrukturen, die Lebensmittelversorgung, Energieversorgung, Bevölkerungsschutz, die Unterstützung von Kommunen und Landkreisen bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Hätten wir diese Pläne und Menschen wie Hermann Schröder nicht, müssten wir im Fall der Fälle wirklich mit chaotischen Zuständen rechnen.