Radio
jonathan-velasquez (unsplash)
Radio
Die legendäre Käsebrezel kämpft im Jungbusch ums Überleben. Die kultige Aral-Tankstelle soll abgerissen werden.

Käsebrezelfestival im Jungbusch

Das Stadtviertel Jungbusch in Mannheim wird immer attraktiver. Der Strukturwandel, der hier stattfindet, sorgt für steigende Mieten und unzufriedene Anwohner. Und jetzt wird auch noch die Aral-Tankstelle in der Hafenstraße abgerissen: der langjährige Pachtvertrag läuft in diesem Sommer aus.

„Ich feiere mit meinen Jungs nicht ohne die Käsebrezel“ – beschreibt Melanie am Samstag auf dem Käsebrezel-Festival in Mannheim einen typischen Freitagabend im Jungbusch. Die Käsebrezel gehört schon längst zum Kult-Inventar der Aral-Tankstelle in der Hafenstraße. Seit Jahren kommen feierwütige Studenten, Anwohner und Jugendliche nach einer durchzechten Nacht hier her, um die große Party mit ihren Freunden ausklingen zu lassen. Damit ist jetzt Schluss, die Aral-Tankstelle in der Hafenstraße soll abgerissen werden. „Nicht mit uns“ sagen sieben Mannheimer, die den Jungbusch lieben und bereit sind, für ihn zu kämpfen.

Simon Sontowski will im Juli endlich etwas unternehmen und gründet kurzerhand den Verein „Käsebrezel e.V.“, der sich auch gegen die Gentrifizierung einsetzen und Interessierte zum Nachdenken auffordern will: "Als ich gehört habe, dass Mietpreise steigen und die Aral-Tankstelle ums Überleben kämpft, war für mich der Punkt erreicht, an dem sich etwas ändern musste", sagt er und meint damit den Strukturwandel, der aktuell im Jungbusch zu beobachten ist. Das Stadtviertel wird immer attraktiver und selbst alteingesessene Kneipen haben Schwierigkeiten, sich zu halten.
"Es wird viel gemeckert, aber niemand macht etwas", beschweren sich die künstlerischen Mitglieder des Vereins über die Situation. Sie wollen wachrütteln. Einen ersten Versuch starteten Simon Sontowski und seine Jungs am Samstag mit einem Open-Air Festival in der Hafenstraße. Von 14 bis 22Uhr gab es Musik und Essstände. Die Aral-Tankstelle sorgte mit ihrer Käsebrezel ebenfalls für die passende Verpflegung. Auch für spontane Musiker bot das Festival eine Bühne. Jeder, der Lust hatte, konnte sich auf die Open Stage stellen und ein Zeichen gegen die Gentrifizierung im Jungbusch setzen. Ein besonderes Event war das natürlich für die Anwohner und Kneipeninhaber, die selbst von steigenden Mieten betroffen sind: „Immer geht es nur ums Geld. Und wir können gucken, wie wir klarkommen“ sagt Anita, sie muss jetzt an allen Ecken und Enden sparen. Und nicht nur sie beklagt die verändernden Bedingungen in dem hippen Stadtviertel Mannheims. Auch Julian aus Mannheim hat die Schnauze voll: „Wenn das so weiter geht, wird unsere schöne Kreativszene endgültig verdrängt“.
Damit das nicht passiert, plant der Verein „Käsebrezel e.V.“ friedliche Aktionen, um gegen die steigenden Mieten zu demonstrieren und den Jungbusch als Kultviertel Mannheims zu erhalten. Und dennoch: die meisten Besucher auf dem Festival glauben, dass der Jungbusch in 2 Jahren schon ganz anders aussehen wird: "Natürlich habe ich Angst, dass der Jungbusch durch diese Entwicklung seine Kreativen verliert", meint etwa Katja aus Ludwigshafen, die gerne zum Feiern das Blau oder das Contra N besucht.

Viele der Festivalbesucher am Samstag wohnen gar nicht im Kiez und sind doch immer wieder dort, um zu feiern und einen schönen Abend mit ihren Freunden zu erleben. Auch die Schließung des Stehcafés Kardes war Thema am Samstag. „Vor allem das billige Bier werde ich vermissen, falls es wirklich schließen sollte“, erzählt Konstantin, der am Wochenende gern noch einen Abstecher ins Kardes macht, bevor es um 7Uhr morgens für ihn wieder nach Hause in den Stadtteil Mannheim/Lindenhof ging. Dass jetzt auch noch die Aral-Tankstelle dicht macht, kann der 23-Jährige gar nicht glauben: „Wie konnte es soweit kommen?!“.

Vielen fällt der schleichende Wandel schon seit längerer Zeit auf, unternommen wurde bisher wenig: „Man weiß nicht wie“ heißt es bei den Besuchern des Festivals oder auch: „Ich fühle mich machtlos. Was kann ich tun?“. Eines ist sicher: ein kostenloses Musikevent wie das Käsebrezel-Festival am Samstag ist ein Anfang. Die Mitglieder nahmen kein Geld für die Veranstaltung, bekamen aber Spenden von Sympathisanten und dankbaren Besuchern.
Die meisten lieben vor allem die Kneipenkultur im Jungbusch, die Kreativität und die Gelassenheit: „Hier ist für jeden etwas dabei“, findet auch Monika aus Weinheim. Sie fährt fast jedes Wochenende mit ihren Freundinnen in den Kiez. Von der Dankbar, über das Rhodos und das Nelson ging es bisher immer obligatorisch zur Aral: „Ohne unsere Käsebrezel sind wir nie nach Hause gefahren“.
Das Käsebrezel-Festival am Samstag war erst der Auftakt einer Reihe von Aktionen, die der Verein „Käsebrezel e.V.“ in den kommenden Monaten geplant hat. Die Mitglieder hoffen, dass sich ihnen in nächster Zeit noch viele Jungbusch-Fans anschließen werden. Die Besucherzahl von über 300 zeigte am Samstag eindeutig, dass es noch einige gibt, die der Wandel im Jungbusch nicht kalt lässt.

Das Käsebrezel-Fest hat am Samstag auf dem Platz neben der Aral-Tankstelle im Jungbusch stattgefunden. Bei freiem Eintritt haben fünf Bands sowie kurzentschlossene selbsterklärter Künstler auf der Open Stage für Stimmung gesorgt. Das Fest ging bis in die späten Abendstunden.