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Pfalz, Wein, Liebe, Menschen.

40 Jahre Stadtmauerfest Freinsheim

Eines der herzlichsten, gemütlichsten und beliebtesten Weinfeste in der Pfalz feiert 2017 runden Geburtstag. Feierkultur und ihre Hintergründe: Ein Tag Leben in einer der schönsten Regionen unseres Landes: Mit Schorle, Saumagen und Seelenfrieden.

Wenn wir im deutschen Südwesten eines können, dann ist es feiern. Bei uns in der Region finden sich unzählige Sterne-Restaurants, wir beherbergen Wälder, Weinberge, Wellness-Tempel und Menschen die wissen, wie man damit umgeht. Wenn man Weinfeste in Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg im Internet sucht, findet man unzählige Kalender, randvoll mit Möglichkeiten sich die Zeit zu vertreiben. Zwischen Schwarzwald, Elsass, Odenwald und Pfalz findet sich kaum ein Örtchen, das nicht mindestens ein Mal im Jahr einen großen Anlass zum feiern findet. Es gibt Gemeinden, da brauch es eine halbe Stunde Autofahrt bis zum nächsten Gewässer – ein „Fischerfest“ gibt es dort trotzdem.

Wer weiß, wie man schafft, der weiß auch, wie man feiert!

Auf unsere Lebenskultur können wir stolz sein. Mit unseren vielen Innovationen und unseren großen Betrieben leisten wir im deutschen Südwesten einen Bärenanteil am deutschen Wirtschaftserfolg. Die Auszeit dafür nehmen wir uns selbst. Wer neun oder zehn Stunden in der „Anilin“ oder „beim Benz“ verbracht hat, den ganzen Tag im Wingert oder auf der Straße „buckelt“, der weiß es um so mehr zu schätzen, wenn er nach Feierabend mit Freunden zusammen „de Schorle“ bestellt, sich in die Sonne setzt und den Blick auf die wunderschöne Landschaft genießt. „Wörk-Leif-Bälänz, verschdehschd?“
 

Zwischen diesen ganzen vielen Happenings im Sommer und Herbst ist das Freinsheimer Stadtmauerfest eigentlich nur ein Termin im Kalender. Die kleine, idyllische Gemeinde liegt an der deutschen Weinstraße zwischen Grünstadt und Bad Dürkheim. Wer so viele Möglichkeiten in der Umgebung hat, tut sich schwer, für sich selbst Lieblingsfeste zu küren. Und trotzdem: Freinsheim ist für mich ein Pflichttermin. Ob es die kleinen Gässchen sind, das immer gut gelaunte Publikum, die mit Herzblut liebevoll hergerichteten Stand-Arrangements, ich kann es schwer sagen, aber die Atmosphäre ist einzigartig. Ankommen, wohlfühlen. Stände verbreiten Essensduft, Winzer präsentieren ihre Jahrgänge, regionale Bands spielen auf mehreren kleinen Bühnen, es wird gesungen, gelacht, diskutiert. Von Lichterketten begleitet bewegt man sich durch die historische Altstadt und findet in jedem Winkel eine kleine Idee, einen kleinen Beitrag zu einem großen Fest. Wie ein Mosaik lebt das Gesamtbild beim Stadtmauerfest von jeder einzelnen Anstrengung, die ein Verein, ein Betrieb, oder ein Anwohner zur Veranstaltung beigesteuert hat.

Ohne das Mitwirken der Menschen – keine Chance!

Eine Veranstaltung wie diese funktioniert bloß, wenn alle an einem Strang ziehen. Alleine bekäme man das gar nicht organisiert. Am Stand der Freiwilligen Feuerwehr treffe ich den Verbandsbürgermeister der Verbandsgemeinde Freinsheim – Jürgen Oberholz. „40 Jahre machen wir das jetzt schon!“ , erzählt er mir stolz. Angefangen habe alles mit einem gemeinsamen Entschluss der Vereine und glücklicherweise seien im Laufe der Jahre viele Organisationen, Unternehmen und Winzerverbände hinzugekommen, die das ganze zu dem machen, was es heute ist. „Essen können Sie hier, was Sie wollen!“, sagt er, „Pfälzischen Spezialitäten, französische Leckereien, Fisch, Vegetarisch, alles do!“ Die Standbetreiber ließen sich immer neue Ideen einfallen, um die Palette möglichst breit zu halten. Dazu trinkt man Wein – klar.

Die Stadtmauer ist 1,3 Kilometer lang und gibt für das Fest die Route vor.“, erklärt Jürgen Oberholz, „Wir sind stolz auf dieses historische Denkmal und auf unsere Altstadt, deshalb feiern wir und erfreuen uns am Anblick dieses wunderschönen Bildes!“ Das Wahrzeichen der Stadt kann man auch außerhalb des Stadtmauerfestes in einem Rundgang bewundern. Alles hat eine ganz eigene Romantik.

„Wie meistern sie das alles?“, frage ich den Verbandsbürgermeister. „Ehrenamt.“, antwortet er mir. „Alleine bei der Freiwilligen Feuerwehr hier am Stand sind heute zwischen 20 und 30 Personen im Einsatz. Samt Freunde, Familie und allem, was dazu gehört!“ „Viel Geld“, so erklärt mir Oberholz, „kommt über die Vereine auch wieder in die Gesellschaft zurück.“ Als Beispiel führt er den Turnverein an, der von den Einnahmen zum Beispiel Geschenke kaufe, die an der Weihnachtsfeier wiederum Kindern geschenkt würden. Da schmeckt jeder Schorle gleich doppelt gut.

Das Ehrenamt muss gefördert werden!

Vor der Arbeit, die die Menschen auf unseren Festen leisten, muss man den Hut ziehen. Sicher, es sind auch Gastronomen unter den Standbetreibern, die wirtschaftlich handeln und sich damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Aber einen großen Anteil am Fest und der Organisation leisten Menschen, die dafür kein Geld bekommen. Sie tun es, weil es Freude bringt – ihnen und uns. Ehrenamt und Vereinsarbeit, diese Erkenntnis wächst mir in diesem Moment mal wieder besonders, ist eine große, wichtige Säule unserer Gesellschaft und braucht unseren Rückhalt, auch und besonders von oben.

Während ich später am Abend im Schein der Lichterketten mit meinem Glas Wein in der Hand meinen Blick durch das Zelt schweifen lasse sehe ich eine Gruppe Menschen. Sie sitzen gemeinsam an einer Bierzeltgarnitur und haben sich dort auch offenbar an diesem Abend erst gefunden – das Alter zumindest reicht von Student bis Rentner, die Persönlichkeiten sind erkennbar bunt gemischt. Die Arme sind untergehakt, die Stimmung ist ausgelassen und man singt gemeinsam: „Ja sooo en guuuude Palzwoi...“

Eigentlich, so denke ich mir, geht’s uns doch gut. Die Welt dreht sich immer schneller, die Schlagzeilen überbieten sich gefühlt täglich in der Form der Grausamkeit. Es wartet viel Arbeit auf uns - „da draußen“. Aber wir wissen genau, wo und wie man den Akku auflädt, Energie tankt und Zusammenhalt stärkt, um die Aufgaben gemeinsam anzugehen.

Auf die nächsten 40 Jahre. Zum Wohl.

P.S.: Falls Sie diesen Artikel vor oder während Montag, den 17. Juli 2017 lesen, können Sie das Stadtmauerfest noch besuchen, der 17.7.17 ist der letzte Tag und es gibt nochmals zahlreiche Aktionen. Ansonsten bieten sich in Zukunft hoffentlich noch viele, viele Möglichkeiten. :-)