Missbrauchsfall Staufen: Prozess hat begonnen
Der erste Prozess nach dem jahrelangen Missbrauch eines Jungen bei Freiburg hat begonnen. Auf der Anklagebank sitzt seit heute vor dem Landgericht Freiburg ein einschlägig vorbestrafter 41-Jähriger.
Der erste Prozess nach dem jahrelangen Missbrauch eines Jungen bei Freiburg hat begonnen. Auf der Anklagebank sitzt seit heute vor dem Landgericht Freiburg ein einschlägig vorbestrafter 41-Jähriger.
Zu Beginn verdeckte der Deutsche sein Gesicht mit einem großen Briefumschlag. Später, als Fotografen und Kamerateams nicht mehr im Saal waren, antwortete er mit fester Stimme auf erste Fragen des Vorsitzenden Richters, bevor die Öffentlichkeit auf Wunsch des Angeklagten ausgeschlossen wurde.
Der Vorwurf: Die Mutter des heute neunjährigen Jungen und ihr wegen schweren Kindesmissbrauchs vorbestrafter Lebensgefährte sollen das Kind im Internet angeboten und Männern aus dem In- und Ausland gegen Geld für Vergewaltigungen überlassen haben. Der Junge wurde nach Angaben der Polizei mehr als zwei Jahre lang von mehreren Tätern wiederholt und an verschiedenen Orten in und um Freiburg vergewaltigt.
Der 41-Jährige, der nun vor Gericht steht, ist der erste von insgesamt acht Verdächtigen, die sich verantworten müssen. Dieser Prozess gewährt somit erstmals Einblick in einen Kriminalfall mit bisher nicht bekannten Dimensionen, wie Ermittler sagen. Der großgewachsene Mann soll Geld gezahlt haben, um sich an dem Jungen zu vergehen. Er hat ein Geständnis abgelegt- allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Er hat zugegeben, den Jungen zweimal schwer sexuell missbraucht zu haben.
Laut Staatsanwältin Nikola Novak ereignete sich die erste Tat ereignete im Juli 2017 im Freien auf einem Feldweg bei Staufen, gezahlt worden seien zwischen 20 und 50 Euro. Dem Jungen soll vorher gesagt worden sei, der Mann sei Polizist, und wenn er nicht mache, was er sagt, werde er ins Waisenhaus abgeschoben.
Die zweite Tat, im September 2017, habe sich in der Wohnung des Jungen abgespielt, in der das Kind mit seiner Mutter und dem Freund lebte. Der Junge sei, so die Anklägerin, mit Handschellen und Fußfesseln an einem Stuhl gefesselt und vergewaltigt worden. Während der Tat habe sich die Mutter in Hörweite im Nebenraum befunden, der Stiefvater habe sich an dem Verbrechen beteiligt. Wie viel Geld diesmal vom nun Angeklagten bezahlt wurde, sei den Ermittlern nicht bekannt.
«Der Junge war der Gewalt schutzlos ausgeliefert», sagte die Anklägerin. Er habe sich gewehrt, Ekel verspürt und Schmerzen ertragen müssen. Die Taten seien von den Männern mit mindestens zwei Kameras gefilmt und später anderen weitergeleitet worden. Die Staatsanwältin spricht von «massiven sexuellen Übergriffen».
Der 41-Jährige ist den Angaben zufolge wegen schweren Kindesmissbrauchs vorbestraft. Er wurde 2010 in Freiburg zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt, weil er nach Überzeugung des Gerichts 2009 ein zehnjähriges Mädchen in ein Maisfeld gelockt und sich an ihm vergangen hat.
Im Gefängnis lernte er laut Staatsanwältin Novak den ebenfalls wegen schweren Kindesmissbrauchs vorbestraften späteren Lebensgefährten der Mutter des Jungen kennen. Wieder in Freiheit nahm er Kontakt auf. «Der Angeklagte fragte, ob er etwas im Angebot hätte», zitierte Novak die Nachricht. Über Facebook habe er «Interesse an Fesselungen und Vergewaltigungen geäußert» und dafür 10 bis 20 Euro angeboten. Die Staatsanwältin will eine langjährige Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung erreichen, wie sie am Rande des Prozesses sagte.
Für den Prozess seien zunächst drei Verhandlungstage angesetzt, sagte der Vorsitzende Richter Stefan Bürgelin. Ein Urteil könnte es demnach in der kommenden Woche geben. Der Großteil des Verfahrens, auch die Plädoyers, findet laut Richter unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, um die Intimsphäre des Opfers und des Angeklagten zu schützen. So sollen unter anderem drei Videofilme angeschaut werden. Die Filme mit einer Gesamtlänge von knapp 40 Minuten zeigen die Taten.
Katja Ravat vertritt in dem Prozess als Nebenklägerin den Jungen, der Opfer der Taten wurde. «Es geht um den Schutz des Jungen, dass er einen halbwegs unbehelligten kindlichen Alltag leben kann», sagt sie: «Es geht aber auch um Verarbeitung.» Es sei ein Statement des Jungen, «dass ihm für die Taten, die allesamt gegen seinen Willen verübt wurden, an einer hohen Haftstrafe gelegen wäre». Eine Therapie solle zudem helfen, dass er mit den Verbrechen abschließen könne.
Sechs Zeugen sollen in dem Prozess gehört werden: fünf Polizeibeamte und ein Psychologe, der den Angeklagten nach seiner bislang letzten Entlassung aus der Haft betreut hat.
Weitere Prozesse folgen in den kommenden Wochen. Die 47-jährige Mutter und ihr 39-jähriger Lebensgefährte werden sich von Mitte Juni an in Freiburg vor Gericht verantworten müssen. Sie sollen den Jungen nicht nur
vermittelt haben, sondern an Taten auch aktiv beteiligt gewesen sein.