Radio
jonathan-velasquez (unsplash)
Radio

Berufung im Prozess um Hüftprothese

Bekommt ein Patient wegen einer fehlerhaften Hüftprothese 25.000 Euro Schmerzensgeld? Darüber entscheidet am Vormittag der Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe mit Sitz in Freiburg.

Das Landgericht Freiburg hatte dem Mann das Geld zugesprochen, doch die Herstellerin hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt.
 
Das Landgericht hatte mehrere medizinische und technische Sachverständige angehört und war zu dem Schluss gekommen, dass die eingesetzte Hüftgelenksprothese einen Instruktions-/ Konstruktionsfehler aufweise. Es sei zu erhöhtem Metallabrieb, insbesondere im Bereich der Konussteckverbindung, gekommen. Die Herstellerin habe vor der Markteinführung nicht getestet, wie hoch der Metallabrieb in dem neuen System sei. Die Freisetzung von Metallpartikeln und Metallionen im menschlichen Körper habe bei dem Kläger zu Entzündungen und Knochenverlust geführt. Von besonderer Bedeutung für die Stabilität der Konussteckverbindung und damit auch für den dort auftretenden Metallabrieb sei die Kraft, mit der die Prothesenteile während der Operationen ineinander geschlagen werden. Bei diesem Prothesentyp werde eine sichere Verbindung allerdings erst durch Kräfte bewirkt, die so hoch seien, dass der Operateur sie nicht stets gewährleisten könne. Außerdem hätten die Beklagten in der Operationsanweisung nicht darauf hingewiesen, dass die Steckverbindung besonders stark zusammengefügt werden müsse.

Nach Überzeugung des Landgerichts weisen die Hüftprothesen, die heute nicht mehr vertrieben werden, einen Produktfehler auf, für den die schweizerische Muttergesellschaft als Herstellerin und die deutsche Tochtergesellschaft, die die Prothese nach Deutschland eingeführt und hier vertrieben hat, einstehen müssen.
 
Insgesamt sind in einem Freiburger Krankenhaus über 1000 solcher Hüftprothesen implantiert worden, von denen die Mehrheit bisher keine Probleme verursacht hat.

Am Landgericht Freiburg sind über 100 Verfahren anhängig geworden. In den Jahren 2017 bis 2019 sind die verantwortlichen Unternehmen mehrfach in ähnlich gelagerten Fällen durch verschiedene Kammern des Landgerichts zu Schmerzensgeldzahlungen verurteilt worden. Dabei stand zunächst im Vordergrund, dass die untersuchten Hüftprothesen zu Metallabrieb geführt hatten, der bei den Prothesenträgern zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt hatte.

Die jüngsten Verurteilungen aus dem Jahre 2019 stützen sich daneben auch auf das Argument, dass der gesamte Prothesentyp ein zu hohes Versagensrisiko aufweise. Der Hersteller müsse grundsätzlich Schmerzensgeld bezahlen, wenn sich der Träger dieses Prothesentyps aus Angst vor einem Prothesenversagen zu einem operativen Prothesenwechsel entschließe, unabhängig davon, ob erhöhter Metallabrieb vorliege oder nicht.
 
Beim Oberlandesgericht Karlsruhe – Außensenate in Freiburg – sind zwischenzeitlich 15 Berufungsverfahren anhängig.

Symbolfoto: Shutterstock