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Die Befürchtung zurückgelassen zu werden, weckt die Urangst in unseren Kindern

„Dann gehe ich eben ohne dich nach Hause“ – So schädlich ist dieser Satz für unsere Kinder

Diesen einen Satz haben alle Eltern schon einmal gesagt. Doch wieso das ein riesiger Erziehungsfehler ist und was das mit der Psyche eines Kindes macht, ist ziemlich erschreckend.

Welche Eltern kenne diese Situation nicht? Die Zeit auf dem Spielplatz neigt sich dem Ende zu, wir müssen nach Hause, doch das Kind will einfach noch nicht gehen. Dann beginnt das Gequengel und Gemecker. Und in der Verzweiflung das Kind umzustimmen fällt schnell mal dieser eine Satz: „Dann geh‘ ich eben ohne dich nach Hause“. Doch auch dann will das Kind nicht hören und irgendwann eskaliert die Situation. Das Kind weint und will nur noch auf dem Arm genommen werden. Wir als Eltern sind genervt, nehmen unsere Kleinen irgendwann trotzdem hoch und gehen endlich nach heim.

Wieso dieser oftmals so leicht daher gesagte Satz fatale Folgen für ein Kind haben kann, erklärt Bestseller-Autorin und Familienratgeberin Nicola Schmidt in einem Interview mit dem Nachrichten-Portal ‚Huffington Post‘.

Nicole Schmidt ist selbst Mutter von zwei Kindern kennt daher diese Situation bestens. Als Autorin und Gründerin des Artgerecht-Projekts beschäftigt sie sich mit der Frage, woher die Bedürfnisse von Kindern stammen und wie Eltern darauf am besten reagieren können. Wenn die Kleinen also nicht wollen, wie ihre Eltern, sind das laut der Expertin weder Machtspielchen der Kinder, noch wollen sie ihre Eltern damit tyrannisieren. Sie sind in solchen Momenten einfach zu müde, um zu kooperieren.

Die meisten Eltern fragen sich während solcher Trotzanfälle ihrer Kinder, warum sie sich so dagegen sträuben mitzukommen. Für Kinder sind solche Momente allerdings eine viel größere Belastung, als für ihre Eltern. „Die Kinder stehen in so einem Moment unter Stress und sie haben Angst“, sagt Nicole Schmidt.

Die Kinder haben Bindungsstress. Zurückgelassen zu werden ist eine Urangst von Kindern. Deshalb tun sie alles, um auf den Arm genommen zu werden. Das ist für sie der sicherste Ort.

Stress aktiviert, so die Familienratgeberin, das Bindungssystem unserer Kinder. Sie haben Angst, in diesem Moment die Bindung zur Bezugsperson zu verlieren. Sie fürchten zurückgelassen zu werden und wollen deswegen in dieser Situation unbedingt auf den Arm genommen werden.

Erwachsene sehen in diesen Momenten meistens nur das schreiende Kind, das nicht kooperiert und koste es was es wolle seinen Willen durchsetzen will. Das Schreien und Weinen ist dann nicht, um ihre Eltern zu terrorisieren, sondern weil sie es aus ihrer Sicht überlebenswichtig ist.

Wenn Eltern also ihren Kindern androhen sie zurückzulassen, spielen sie mit der Urangst ihrer Kinder, was sie nicht nur unter extremen Stress setzt, sie können aus dieser Situation auch nichts lernen.  „Man spielt mit der Urangst, man spielt mit dem Urvertrauen und man wird außerdem noch unglaubwürdig“, sagt die Expertin. Schließlich lässt am Ende kein Elternteil sein Kind alleine zurück.

Laut Schmidt kann diese Art von Erziehung sogar gefährlich sein, da sie die Beziehung zwischen Eltern und Kind stark beeinträchtigen kann. „Wenn man versucht, das Kind zu brechen – es in diesem Fall also so lange weinen lässt, bis es aus lauter Verzweiflung hinterher läuft – schädigt man die Bindung und die Beziehung zum Kind“, erklärt sie.

Was das Kind aus dieser Erfahrung lernt, ist, dass die Mutter oder der Vater nicht für es da sind, wenn es sie am meisten braucht. Das kann eine ganz frühe Verlusterfahrung für das Kind sein.

Eltern können ihren Kindern diese Erfahrung aber eigentlich ganz einfach ersparen. Anstatt den für Kinder angsteinflößenden Satz auszupacken, sollten Eltern lieber mit Zuwendung und Verständnis auf die Gefühlswelt ihrer Kinder reagieren. Wenn es beim nächsten Mal also vom Spielplatz nach Hause gehen soll, dem Kind einfach klarmachen, dass die Spielzeit jetzt vorbei ist, weil es beispielsweise ins Bett muss. Dafür sollte man aber erklären, dass man morgen ja wieder auf den Spielplatz gehen kann oder gleich zu Hause noch eine Geschichte vorgelesen wird.