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Kultusministerin Susanne Eisenmann im Interview

Corona-Krise: Wie geht's weiter mit den Schulen?

Aufgrund der aktuellen Corona-Krise mussten Schulen und KiTas schließen. Angekündigt wurde die Schließung bis nach den Osterferien. Doch wie geht es jetzt weiter mit den Schulen? Wie lange bleiben sie noch geschlossen? Müssen die Schulferien dafür ausfallen? Und wie sieht es mit dem Lernstoff, den Klausuren und der Notengebung aus? Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann hat uns im Interview Rede und Antwort gestanden.

Wie geht es nach den Osterferien weiter? Wird wieder Unterricht in der Schule stattfinden und wie wird er stattfinden? Wann wird eine Entscheidung dazu getroffen?

Susanne Eisenmann: Also klar ist, dass wir momentan noch nicht verbindlich sagen können, ob und wie es nach den Osterferien weitergeht. Die Zielsetzung ist, dass die weitere Verbreitung des Coronavirus eingedämmt wird. Deshalb nehmen wir uns ja alle zurück und bleiben zuhause, aber es ist jetzt noch nicht richtig abschätzbar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es direkt nach den Osterferien wieder komplett losgeht, sondern nur ein schrittweiser Beginn, ein langsamer Beginn. Wir arbeiten an verschiedenen Szenarien. Vielleicht, dass man zunächst mit denen beginnt, die Prüfungen haben oder nicht alle Klassen gleichzeitig. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, aber wenn wir beginnen - egal zu welchem Zeitpunkt - werden wir es schrittweise tun. Dazu werden wir uns in den nächsten Tagen äußern.
 
Sie sprechen von den nächsten Tagen. Der Hintergrund dieser Frage war, dass viele Eltern gesagt haben: “Wenn wir zwei Tage vor Ferienende Bescheid gesagt bekommen, ist uns das ein bisschen spät”. Sie gehen schon davon aus, dass es wahrscheinlich schneller zu einer Entscheidung und zu einer Information für die Eltern kommen wird?
Susanne Eisenmann: Natürlich. Das gilt auch für die Schulen, für die Lehrerinnen und Lehrer. Wir werden so früh wie möglich darauf reagieren. Entscheidend ist, wie die gesundheitliche Situation ist. Die Gesundheit hat absoluten Vorrang und deshalb ist es wichtig, dass wir zunächst einmal sehen, dass unsere Zielsetzung - die Verbreitung des Virus einzudämmen - erfolgreich ist. Und deshalb kann man natürlich nicht zu lange im Voraus eine Entscheidung treffen. Aber dass wir rechtzeitig informieren und dass sich alle darauf einstellen können, das verspreche ich fest. Darauf haben auch alle ein Anrecht. Ich gehe davon aus, dass wir uns nächste Woche dazu äußern werden und dann sagen, wie es weitergeht.
  
Falls Sie sich dafür entscheiden sollten: Wie sieht so eine stufenweise Rückkehr aus? 
Susanne Eisenmann: Wir prüfen ganz unterschiedliche mögliche Vorgehensweisen, weil wir eben auch nicht wissen, wann es wieder losgeht. Zum Beispiel wäre denkbar, dass wir vielleicht mit denen beginnen, die Prüfungen haben. Dass wir das Schulgebäude, das ansonsten leer ist, nur für diesen Zweck zur Verfügung stellen. Oder eine mögliche Vorgehensweise in der Grundschule: Dort haben wir die Klassen 1 bis 4, sodass zum Beispiel am Montag die Klassen 1 und 2 das Schulgebäude nutzen und dadurch mehr Platz haben, um die Hygiene-Vorschriften einzuhalten. Am nächsten Tag dann die Klassen 3 und 4. Wir werden uns natürlich, wenn wir wieder beginnen mit der Kita und der Schule, auch weiterhin an die Hygienevorschriften halten, auch wenn die Situation verändert ist. Das sind alles mögliche Vorgehensweisen, die wir prüfen - auch in Abstimmung mit Fachleuten und mit den Gesundheitsämtern.
 
Reicht eigentlich die Zeit bis zum Schuljahresende noch, um den ganzen Stoff nachzuholen?
Susanne Eisenmann: Ich glaube nicht, dass das richtig möglich sein wird. Wir haben ja schon seit einigen Wochen die Schulen geschlossen und wissen noch nicht, wann wir wirklich wieder loslegen können. Und deshalb denke ich, dass es immer ein Schuljahr unter besonderen Bedingungen bleiben wird. Natürlich werden sich auch nicht alle Prüfungen umsetzen lassen - außer den Abschlussprüfungen, die sind ab dem 18. Mai vorgesehen. Ich glaube auch nicht, dass man den Lehrplan zu 100% umsetzen kann, aber es ist fest versprochen, dass keine Schülerin und kein Schüler einen Nachteil haben wird. Wir werden dafür Lösungen finden und dann wird es auch mit der ein oder anderen Klassenarbeit weniger funktionieren. Es wird sicher nicht mehr so ablaufen, wie normalerweise das Schulhalbjahr abläuft, das ist klar.

Wir denken momentan nicht daran, die Ferien zu kürzen oder sie ausfallen zu lassen.

Sind die Pfingstferien überhaupt tragbar? Sollte man diese Zeit nicht nutzen, um weiteren Stoff nachzuholen?

Susanne Eisenmann: Ich denke, das ist eine sehr mühselige Diskussion. Die Pfingstferien oder die Sommerferien verkürzen, das höre ich immer wieder. Mal ganz abgesehen davon, dass wir die Entwicklung des Coronavirus nicht vorhersehen können - nehmen wir einmal die Sommerferien. Angenommen, die Leute haben Urlaub gebucht und auch in den Pfingstferien gibt es bereits Pläne. Natürlich weiß keiner, ob diese umgesetzt werden können, aber zu sagen, die Pfingstferien fallen aus oder wir verkürzen die Sommerferien um zwei oder drei Wochen... das würde viele Diskussionen auslösen und teilweise noch mehr Probleme schaffen. Deshalb ist das aus meiner Sicht keine Lösung. Wir denken momentan nicht daran, die Ferien zu verkürzen oder sie ausfallen zu lassen. 
  
Muss womöglich das Schuljahr wiederholt werden?
Susanne Eisenmann: Definitiv nicht, da muss sich niemand Sorgen machen. Das wäre ja den Schülerinnen und Schülern gegenüber richtig unfair, die können ja nichts dafür. Deshalb wird es ein ordnungsgemäßes Schuljahr sein, das voll angerechnet wird - aber unter angepassten Bedingungen.
 
Zum Thema Klausuren - Sie haben es selbst schon angesprochen. Könnten Sie sich vorstellen, dass die vorgegebenen Anzahlen der Klausuren pro Schuljahr angepasst werden?
Susanne Eisenmann: Selbstverständlich, das werden wir anpassen. Je nachdem, wann wir wissen, wann wir mit der Schule wieder starten können. Das ist ja alles momentan nicht fest planbar, weil wir einfach nicht wissen, in welcher Zeit es uns gelingt, das Virus einzudämmen. Aber wir werden die Klausuren auf jeden Fall anpassen, sodass sie jeder bewältigen kann - da muss sich keiner Sorgen machen. 

Es gibt erst wieder Noten, wenn die Schule wieder öffnet.

Die Schüler nehmen ja aktuell am Unterricht von zu Hause aus teil, in ganz unterschiedlichen Situationen. Manchen helfen die Eltern, manche haben vielleicht normalerweise einen Nachhilfelehrer, der jetzt ausfällt. Welche Überlegungen gibt es da zur fairen Benotung?
Susanne Eisenmann: Um eine richtige Note zu bekommen, gibt es eine Präsenzpflicht. Das heißt, was von zu Hause aus gemacht wird, darf nicht benotet werden. Das zählt dann auch nicht in eine Bewertung, weil eben die Bedingungen ganz unterschiedlich sind. Manche haben Unterstützung von den Eltern, was ich toll finde, andere sind eher auf sich allein gestellt. Da sind die Bedingungen einfach nicht fair und nicht gleich und deshalb kann es für Online-Arbeiten keine Benotung geben. Es gibt erst wieder Noten, wenn die Schule wieder öffnet und alles unter den üblichen Bedingungen abläuft.
 
Der 18. Mai ist nach wie vor als Prüfungsstart vorgesehen?
Susanne Eisenmann: Ja, daran wollen wir auch festhalten. Natürlich immer unter Beachtung der Entwicklung des Coronavirus. Ich gehe aber davon aus, dass der 18. Mai umsetzbar ist. Aber auch das ist aktuell immer nur eine “Momentaufnahme”.

Ich sage es mal so: es werden nicht die schwersten Abiturprüfungen.

Viele fürchten Nachteile durch die Corona-Krise im Allgemeinen. Wie werden diese Nachteile in der Abitur-Benotung berücksichtigt?

Susanne Eisenmann: Natürlich nehmen wir auf die besondere Situation Rücksicht und wollen auch niemanden überfordern. Wir wollen, dass es fair und transparent für alle abläuft. Was die Schwere der Prüfungsaufgaben und auch die Benotung angeht, bin ich sicher, dass wir und auch die Lehrerinnen und Lehrer geeignet reagieren werden. Ich sage es mal so: es werden nicht die schwersten Abiturprüfungen. Wir werden natürlich berücksichtigen, dass die Vorbereitung nicht optimal war. Und das gilt für alle Prüfungen, nicht nur für das Abitur. Ich finde es ganz toll, wie gerade die Lehrerinnen und Lehrer, die Schülerinnen und Schüler, und auch die Eltern damit umgehen. Toll, wie da zusammengehalten und geholfen wird.
 
Nach einer Hörerin gibt es an manchen Schulen in England jetzt Online-Prüfungen. Warum wäre es derzeit so schwierig, das auch hier umzusetzen?
Susanne Eisenmann: Da gilt das gleiche wie bei den Noten - online ist einfach alles schwer überprüfbar. Wer gerade bei der Prüfung hilft, welche Hilfsmittel eingesetzt werden - das ist dann auch nicht mehr bei allen gleich. Es gibt ja durchaus auch Kinder, die gar keinen Internet-Zugang haben. Und deshalb wären das einfach keine fairen und gleichen Bedingungen.
  
Wie sollten die Schüler am besten zu Hause lernen? Was sollten die Lehrer ihren Schülern sagen? Wie kann man ein gutes Maß finden, so gut es geht zu Hause Unterricht zu machen?
Susanne Eisenmann: Ich finde, die Lehrerinnen und Lehrer machen das wirklich toll und geben sich sehr viel Mühe, den Kindern Hilfestellung zu geben. Über Video, Telefon, Chat oder ganz analog mit Unterlagen per Post. Es ist eine besondere Situation und ich weiß auch, dass viele Eltern helfen und, dass es auch für sie oft nicht leicht ist. Aber es gibt auch Eltern, die nicht helfen können, wo es dann für die Kinder durchaus schwierig ist. Wenn die Krise vorbei ist, werden wir natürlich schauen, welche Chancen die Kinder hatten, zu Hause zu lernen. Da wird man sicher auch mit besonderen Fördermaßnahmen reagieren müssen, um den Kindern zu helfen, wieder Tritt zu fassen und auch wieder Perspektive zu bekommen.
 
Es sind ja unterschiedliche Arten des Online-Unterrichtes gerade im Umlauf. Gibt es eine grundlegende, für alle gleiche Vorgabe an die Lehrer?
Susanne Eisenmann: Grundlegend war die Vorgabe, dass Kinder jeglichen Alters Hausaufgaben und Arbeitsaufgaben zur Übung bekommen. Und, dass diese Vorgänge so begleitet werden, dass man sich diese Themen erarbeiten kann. Das wird auch so erfüllt. Aber ansonsten ist es natürlich auch ein Stück weit pädagogische Freiheit - die ja die Lehrerinnen und Lehrer ausdrücklich haben - wie sie den Kindern in dieser Zeit den Stoff vermitteln. Ich weiß, dass es schwierige Bedingungen sind und, dass es nicht überall so läuft, wie man es sich wünscht. Aber da konkrete Vorgaben zu machen ist schwierig, weil eben die Situation vor Ort bei den Kindern ganz unterschiedlich ist. Ich bin absolut zuversichtlich, dass das die Lehrkräfte angemessen hinbekommen.

Ich bin überzeugt davon, dass wir alle gemeinsam durch diese Krise stärker werden und dass wir dadurch auch etwas lernen können.

Gibt es schon einheitliche Online-Lösungen für Schulen, falls sich die Situation doch noch viel länger hinzieht?

Susanne Eisenmann: Daran arbeiten wir ja schon länger. Dass wir Nachholbedarf in digitaler Schule haben, ist keine Frage. Dabei ist mir allerdings schon wichtig, dass digital das eine ist, Pädagogik das andere. “Ersetze Lesen durch Wischen” ist keine Pädagogik. Deshalb müssen wir da ein Mittelmaß finden. Natürlich arbeiten wir daran, dass Schule online gerade auch in Baden-Württemberg in naher Zukunft umgesetzt werden kann. Was mich allerdings auch freut, ist dass ich oft Rückmeldung von Schülerinnen und Schülern bekomme, die sagen “Eigentlich vermissen wir unsere Lehrer”. Das Besuchen der Schule, das Treffen von Kameradinnen und Kameraden, die Lehrer - das wird auch vermisst. Das zeigt, dass einerseits digitales Lernen wichtig ist - daran werden wir arbeiten - aber auch die Person des Lehrers eine große Bedeutung hat. Und das wird in der Situation, in der wir gerade leben, sehr deutlich.
  
Es ist Freitag, der letzte Schultag vor den Osterferien. Wie sollten Eltern und Kinder mit den Ferien jetzt umgehen? Ist es vielleicht sogar sinnvoll, gerade jetzt einen gefundenen Rhythmus ein Stück weit beizubehalten? 
Susanne Eisenmann: Keine einfache Frage. Natürlich gibt Schule Struktur und auch das vermissen manche Schülerinnen und Schüler. Ich glaube, dass es gut ist, wenn man gerade in der jetzigen Zeit in den Ferien mal in das ein oder andere Buch schaut. Aber insgesamt sind Ferien ja auch dazu da, den Kopf ein bisschen freizubekommen. Ferien sollten auch Pause bedeuten, auch unter den sehr schwierigen Umständen, unter denen wir gerade leben. Wir geben übrigens auch digitalen Sportunterricht - nicht nur für die Schüler, sondern auch für die Eltern. Vielleicht ist auch das eine Idee, um mal den Kopf freizubekommen. 

Wünschen Sie den Schülern oder den Eltern noch etwas für die nächsten Wochen? Was möchten Sie ihnen auf den Weg geben?
Susanne Eisenmann: Ich möchte den Eltern, den Familien, sagen: Ich weiß, es ist für uns alle eine überraschende Situation und eine große Herausforderung. Mir ist es wichtig, dass alle wissen, dass ich es ganz toll finde, wie gerade zusammengearbeitet wird. Die Lehrerinnen und Lehrer, die Schulleiterinnen und Schulleiter, die Eltern, die Schülerinnen und Schüler - alle gemeinsam bemühen sich, das Beste aus dieser Situation zu machen. Und das ist ganz wichtig. Wenn wir zusammenstehen in diesen Schwierigkeiten, die ich überhaupt nicht verleugnen will, dann stehen wir auch diese Krise durch. Ich bin überzeugt davon, dass wir alle gemeinsam durch diese Krise stärker werden und dass wir dadurch auch etwas lernen können. Das sollten wir nie aus den Augen verlieren und deshalb mit Mut in die Zukunft sehen - es kommen auch wieder bessere Zeiten.